Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
Äquatorialguinea gab. Doch kaum war der Sportplatz in Sicht, wo wie immer ab dem späten Nachmittag Basketball gespielt wurde, da kam ihm eine noch viel bessere Idee. Vielleicht lebten ja ein paar ausgewanderte Äquatorialguinesen in New York. Immerhin beherbergte die Stadt doch Menschen aus aller Herren Länder. Also hielt er am Basketball-Court an, stieg ab und lehnte sein Fahrrad gegen den Maschendrahtzaun. Während die meisten Menschen es nicht gewagt hätten, ein tausend Dollar teures Fahrrad in seiner Nachbarschaft abzustellen, machte Jack sich nicht einmal die Mühe, es abzuschließen. Er wußte, daß der Basketball-Court in ganz New York der einzige Ort war, an dem man ihm sein Fahrrad auch unabgeschlossen nicht stehlen würde. Er ging an den Spielfeldrand und nickte Spit und Flash zu, die neben etlichen anderen darauf warteten, mitspielen zu können. Es war gerade ein Spiel in vollem Gange; die Spieler schossen über den Platz, der Ball wechselte blitzschnell von einer Hand zur nächsten, und es wurde ein Korb nach dem anderen erzielt. Wie immer dominierte Warren das Spiel. Zum Ärger seiner Gegner brüllte er vor jedem seiner Würfe »money«; seine Trefferquote lag bei neunzig Prozent.
Eine Viertelstunde später war die Entscheidung durch einen von Warrens Würfen gefallen, und die Verlierer schlurften vom Platz. Als Warren Jack sah, kam er zu ihm herüber. »Hi, Kumpel! Willst du mitspielen, oder was?« begrüßte ihn Warren.
»Weiß ich noch nicht«, erwiderte Jack. »Aber ich wollte dich ein paar Sachen fragen. Zum einen, ob du und Natalie Lust habt, am Wochenende etwas mit Laurie und mir zu unternehmen?«
»Na klar, Alter«, erwiderte Warren. »Ich mach’ alles, damit meine Kleine endlich Ruhe gibt. Sie liegt mir ständig in den Ohren, daß sie Laurie und dich wiedersehen will.«
»Außerdem wollte ich dich fragen, ob du irgendwelche Brüder kennst, die aus einem winzigen Land namens Äquatorialguinea stammen?«
»Du überraschst einen jedesmal aufs neue, wenn du den Mund aufmachst«, erwiderte Warren. »Laß mich mal nachdenken.«
»Es liegt an der Westküste Afrikas«, erklärte Jack. »Zwischen Kamerun und Gabun.«
»Ich weiß, wo Äquatorialguinea liegt«, entgegnete Warren empört. »Es wurde angeblich von den Portugiesen entdeckt und von den Spaniern kolonisiert. In Wahrheit ist das Land aber schon viel früher von Schwarzen entdeckt worden.«
»Ist ja unglaublich, daß du so viel darüber weißt«, sagte Jack erstaunt. »Ich hatte bis vor kurzem noch nie von dem Land gehört.«
»Wundert mich nicht«, stellte Warren fest. »Wahrscheinlich hast du nie etwas über die Geschichte der Schwarzen gelernt. Aber um deine Frage zu beantworten - ich kenne tatsächlich ein paar Leute von dort, unter anderem eine Familie namens Ndeme. Sie lebt nur zwei Haustüren von dir entfernt, in Richtung Park.«
Jack sah zu dem Gebäude hinüber und wandte sich dann wieder an Warren. »Kennst du sie gut genug, um mich vorzustellen?« fragte er. »Ich interessiere mich plötzlich brennend für Äquatorialguinea.«
»Kein Problem«, erwiderte Warren. »Der Vater der Familie heißt Esteban. Ihm gehört der Mercado-Laden auf der Columbus Avenue. Und der da drüben mit den orangen Schuhen ist sein Sohn.«
Jack sah in die Richtung, in die Warren zeigte, und entdeckte die orangen Turnschuhe. Er erkannte den Jungen sofort, weil er zu den Stammspielern gehörte. Er war ein ruhiger Typ und gab beim Spielen immer sein Bestes.
»Spiel doch noch ein paar Runden mit«, forderte Warren ihn auf. »Danach gehe ich mit dir zu Esteban rüber. Er ist ein netter Kerl.«
»Okay«, entgegnete Jack. Nachdem seine Radtour ihn zu neuem Leben erweckt hatte, schien es ihm genau das richtige, noch ein bißchen mit seinen Kumpels über das Feld zu jagen. Die Ereignisse des Tages hatten ihn völlig verwirrt. Er holte sein Fahrrad, fuhr nach Hause und trug es die Treppe hinauf. Ohne es von der Schulter zu nehmen, schloß er die Tür auf und stellte es im Flur ab. Dann ging er schnurstracks ins Schlafzimmer und kramte seine Sportsachen hervor. Fünf Minuten später war er fertig. Er wollte gerade die Tür hinter sich zuziehen, als das Telefon klingelte. Für einen Augenblick war er drauf und dran, es einfach zu ignorieren, doch dann fiel ihm ein, daß es vielleicht Ted war, der ihm ein paar obskure Neuigkeiten über seine DNA-Tests mitteilen wollte. Also nahm er den Hörer ab. Es meldete sich Laurie. Sie war außer sich.
Jack
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