Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
ihm verkehrt.
Im Laufe des letzten Monats war ihr Verhältnis dann allmählich wieder ein wenig aufgetaut, und sie hatten erneut begonnen, nach der Arbeit noch gemeinsam etwas zu unternehmen. Laurie hatte inzwischen begriffen, daß sie auf den richtigen Zeitpunkt warten mußte. Mit siebenunddreißig war das allerdings gar nicht so einfach. Sie hatte immer gewußt, daß sie eines Tages Mutter werden wollte, und jetzt ging sie langsam auf die Vierzig zu und hatte das Gefühl, daß ihr die Zeit davonlief.
Da das Essen weitgehend vorbereitet war, streifte Laurie durch ihre kleine Zweizimmerwohnung und schaffte noch ein wenig Ordnung. Sie stellte die herumliegenden Bücher zurück ins Regal, stapelte medizinische Fachzeitschriften und reinigte das Katzenklo von Tom, ihrem gelbbraun-getigerten Kater, der sich trotz seiner sechseinhalb Jahre noch immer so wild gebärdete wie ein junges Kätzchen. Dann rückte sie den Kunstdruck von Klimt wieder zurecht, den Tom bei seinem täglichen Spazierweg, der ihn vom Bücherregal auf die Gardinenstange über dem Fenster führte, stets aufs neue verrückte. Als sie fertig war, stellte sie sich noch schnell unter die Dusche, schlüpfte in ihre Jeans und in einen Rollkragenpullover und legte ein wenig Make-up auf. Während sie sich schminkte, musterte sie die sich allmählich neben ihren Augenwinkeln ausprägenden Krähenfüße. Sie fühlte sich zwar noch genauso jung wie vor ein paar Jahren, als sie ihr Medizinstudium abgeschlossen hatte, doch sie konnte die Spuren, die die Zeit an ihr hinterlassen hatte, nicht leugnen.
Jack war pünktlich. Als Laurie durch das Guckloch sah, erkannte sie nur eine aufgedunsene Fratze; Jack war bis auf zwei Zentimeter an die Linse herangekommen und grinste breit. Sie lachte über seine Juxerei und entriegelte die zahlreichen Sicherheitsschlösser an ihrer Tür.
»Komm rein, du Clown!« begrüßte sie ihn.
»Ich wollte sichergehen, daß du mich auch erkennst«, entgegnete Jack, während er sich an ihr vorbeischob. »Mein angeschlagener Schneidezahn links oben ist ja jetzt mein neues Markenzeichen.«
Als sie die Tür gerade schließen wollte, ertappte Laurie ihre Nachbarin Mrs. Engler, die wieder einmal neugierig ihre Tür einen Spaltbreit geöffnet hatte, um zu sehen, wer Laurie besuchte. Laurie warf ihr einen wütenden Blick zu. Mrs. Engler mußte sich aber auch in alles einmischen. Das Abendessen war ein voller Erfolg. Lauries Festmahl schmeckte hervorragend; der Wein kam nicht ganz an das Essen heran, was Jack damit entschuldigte, daß der Getränkeladen in der Nähe seines Apartments auf offene Weine spezialisiert war und keine wirklich feinen Sorten führte. Im Laufe des Abends mußte Laurie sich ständig auf die Zunge beißen, um das Gespräch bloß nicht auf die heikle Gefühlsebene abdriften zu lassen. Zu gerne hätte sie mit Jack über ihre Beziehung geredet, doch sie wagte es nicht. Sie wußte ja, daß seine Zurückhaltung zum Teil darauf zurückzuführen war, daß er einen furchtbaren persönlichen Schicksalsschlag hatte hinnehmen müssen. Vor sechs Jahren waren seine Frau und seine beiden Töchter bei einem tragischen Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Er hatte ihr davon erzählt, nachdem sie ein paar Monate miteinander ausgegangen und sich ein wenig nähergekommen waren, aber dann hatte er sich plötzlich wieder in sich zurückgezogen und hatte sich geweigert, weiter darüber zu reden. Laurie spürte, daß genau dieser Verlust ihrer Beziehung am meisten im Weg stand, und diese Einschätzung half ihr dabei, Jacks Widerstreben gegen eine festere Bindung nicht so persönlich zu nehmen.
Jack schaffte es ohne Probleme, die Unterhaltung um unverfängliche Themen kreisen zu lassen. Er hatte einen angenehmen Nachmittag verbracht, von dem er nur zu gerne erzählte. Er hatte mit der Straßenmannschaft aus seinem Viertel ein paar Runden Basketball gespielt und war zufällig mit Warren in einer Mannschaft gelandet, einem äußerst beeindruckenden Afroamerikaner, der nicht nur der Anführer der örtlichen Gang war, sondern auch der von allen bei weitem beste Spieler. Ihre Mannschaft hatte den ganzen Nachmittag nicht ein einziges Mal verloren.
»Wie geht es Warren denn so?« wollte Laune wissen. Sie hatten sich schon oft mit Warren und seiner Freundin Natalie Adams getroffen, doch seitdem zwischen ihr und Jack vorübergehende Funkstille eingekehrt war, hatte Laurie die beiden nicht mehr gesehen.
»Warren ist immer noch ganz der alte«, erwiderte
Weitere Kostenlose Bücher