Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
das Auge reichte. Als er die Baumkronen immer näher kommen sah, hoffte er inständig, daß bald eine Landebahn auftauchen möge.
Schließlich setzten sie auf. Jack und Warren seufzten vor Erleichterung.
Während sie gerädert die alte Klappermaschine verließen, ließ Jack seinen Blick über die schlecht erhaltene Rollbahn schweifen und sah etwas Seltsames. Kurz vor dem Beginn des dunkelgrünen Urwalds stand einsam und allein ein strahlendweißer Jet. Um das Flugzeug herum waren an vier Stellen Soldaten in Tarnuniformen postiert; sie trugen rote Barette. Obwohl sie offenbar aufrechte Haltung einnehmen sollten, hatten sie es sich in unterschiedlichen Stellungen bequem gemacht. Jeder von ihnen trug ein lässig geschultertes Maschinengewehr.
»Wem wohl das Flugzeug gehört?« wandte sich Jack an Esteban. Da es keine Schriftzeichen trug, mußte es sich um ein Privatflugzeug handeln.
»Keine Ahnung«, erwiderte Esteban.
Außer Esteban war niemand auf das Chaos in der Ankunftshalle vorbereitet. Alle Ausländer mußten zuerst den Zoll passieren. Zwei Männer in schmuddeligen Uniformen und mit Pistolen im Halfter führten die Ausländergruppe mitsamt ihren Gepäckstücken in einen abgelegenen Seitenraum. Zuerst verwehrten die Zollbeamten Esteban den Zutritt zu dem Raum, doch als er sich lauthals in einem lokalen Dialekt beschwerte, durfte er hinein. Die Männer öffneten sämtliche Taschen und breiteten den Inhalt auf einer Art Picknicktisch aus.
Esteban erklärte Jack, daß die Beamten Schmiergeld erwarteten. Zunächst wollte Jack sich aus Prinzip weigern, doch als klar wurde, daß sie dann noch Stunden in dem Raum würden verbringen müssen, gab er nach und schob ihnen zehn französische Francs zu, woraufhin sie sofort weitergehen durften. Als sie die Haupthalle des Flughafens betraten, entschuldigte Esteban sich.
»Es ist ein ewiges Problem hier«, sagte er. »Die Beamten sind allesamt bestechlich.«
In der Halle wurden sie von Estebans Cousin Arturo empfangen. Er war ein stämmiger, ausgesprochen freundlicher Mann. Während er jedem begeistert die Hand schüttelte, strahlten seine Augen und seine weißen Zähne blitzten. Er trug schillerndbunt bedruckte Gewänder und ein Pagenkäppi - die typische Bekleidung der Einheimischen. Als sie das Flughafengebäude verließen, schlug ihnen die heiße, feuchte Äquatorluft entgegen. Da das Land relativ flach war, hatten sie in alle Himmelsrichtungen einen ungeheuren Weitblick. Es war inzwischen später Nachmittag, und der Himmel direkt über ihnen war tiefblau, doch am Horizont hatten sich bereits bedrohliche Gewitterwolken zusammengebraut. »Ich kann es einfach nicht glauben«, staunte Warren. Wie ein Kind in einem Spielwarengeschäft, konnte er sich gar nicht satt sehen. »Seit Jahren habe ich davon geträumt, einmal hierher zu kommen, aber ich hätte nie gedacht, daß mein Traum sich tatsächlich einmal erfüllen würde.« Dann sah er Jack an. »Danke, Kumpel! Komm her, das müssen wir besiegeln!« Warren streckte Jack seine Hand entgegen, woraufhin die beiden ein paarmal ihre Handflächen gegeneinanderklatschten, als wären sie auf dem Basketball-Court in ihrem Viertel. Arturo hatte den geliehenen Kombi am Straßenrand geparkt. Bevor sie einstiegen, schob er einem Polizisten ein paar Geldscheine zu.
Esteban bestand darauf, daß Jack sich vorne auf den Beifahrersitz setzte. Viel zu müde, um sich zu widersetzen, folgte Jack der Aufforderung. Der Leihwagen war ein alter Toyota; hinter den vorderen beiden Schalensitzen gab es zwei Sitzbänke. Laurie und Natalie quetschten sich in die hintere Reihe, Warren und Esteban nahmen in der Mitte Platz. Als sie den Flughafen hinter sich ließen, hatten sie einen herrlichen Blick auf die Atlantikküste und den von gleichmäßig heranrollenden kleinen Wellen gesäumten breiten Sandstrand.
Nach ein paar hundert Metern kamen sie an einem langen, unfertigen Zementgebäude vorbei, das verwittert und verfallen wirkte. Den Stacheln eines Seeigels gleich, ragten verrostete Betonrippenstahlspitzen oben aus dem Komplex. Jack fragte, warum das Gebäude so unfertig aussehe.
»Das sollte mal ein Hotel werden«, erklärte Arturo. »Aber dann war das Geld alle, und Touristen kamen auch keine.«
»Eine schlechte Kombination, wenn man Geld damit verdienen wollte«, stellte Jack fest.
Während Esteban sich als Reiseleiter gebarte und sie auf etliche Sehenswürdigkeiten hinwies, fragte Jack Arturo, wie lange sie noch fahren würden. »Nur noch
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