Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
Hände.«
»Und wozu das Ganze?« wollte Laurie wissen.
»Ich bin mir ziemlich sicher, daß man dem Mann eine Leber transplantiert hat«, erwiderte Jack. »Und zwar vor noch gar nicht allzulanger Zeit. Der Killer muß gewußt haben, daß das Opfer damit einer ziemlich begrenzten Patientengruppe angehört und er sich deshalb etwas Besonderes einfallen lassen mußte, wenn die Identität des Toten nicht sofort auffliegen sollte.«
»Ist denn von der Leber noch etwas übriggeblieben?« fragte Laurie.
»Ziemlich wenig«, erwiderte Jack. »Die Schrotladung hat fast alles zerstört.«
»Und die Fische haben ihr übriges dazugetan«, bemerkte Chet. Laurie stöhnte.
»Aber ich habe trotzdem noch ausreichend Lebergewebe gefunden, um beweisen zu können, daß wir es tatsächlich mit einer transplantierten Leber zu tun haben«, erklärte Jack. »Just in diesem Augenblick ist Ted Lynch oben im DNA-Labor dabei, einen DQ-alpha-Test zu machen. In etwa einer Stunde haben wir das Ergebnis. Was mich überhaupt auf diese Fährte gebracht hat, waren die Operationsnähte an der Vena cava und an der Arteria hepatica.«
»Was ist denn ein DQ-alpha-Test?« wollte Laurie wissen. Jack lachte.
»Wie beruhigend, daß du es auch nicht weißt. Ich habe Ted nämlich dieselbe Frage gestellt. Wie er mir erklärt hat, ist der DQ-alpha-Test eine bequeme und schnelle DNA-Analysemöglichkeit zur Differenzierung zweier Individuen. Er vergleicht die DQ-Region des Haupthistokompatibilitätskomplexes auf dem Chromosom sechs.«
»Und was ist mit der Portalvene?« fragte Laurie. »Hast du dort auch Narben entdeckt?«
»Leider ist von der Portalvene so gut wie nichts übriggeblieben«, erwiderte Jack. »Von den Gedärmen übrigens auch nicht.«
»Na gut«, sagte Laurie. »Dann dürfte es ja wohl kein Problem mehr sein, den Toten zu identifizieren.«
»Das sehe ich auch so«, pflichtete Jack ihr bei. »Bart Arnold ist dem Geheimnis um die Leber auch schon auf der Spur. Er hat zu der nationalen Organspende-Institution UNOS Kontakt aufgenommen und will außerdem sämtliche Krankenhäuser anrufen, in denen Lebertransplantationen vorgenommen werden. Als erstes nimmt er sich die New Yorker Kliniken vor.«
»Es gibt nur wenige Kliniken, in denen das gemacht wird«, entgegnete Laurie. »Das war gute Arbeit, Jack.« Jack errötete ein wenig. Laurie war gerührt, denn sie hatte geglaubt, derartige Komplimente würden ihn völlig kalt lassen. »Wie sieht es denn mit den Kugeln aus?« fragte sie weiter. »Stammen sie aus derselben Waffe?«
»Wir haben sie zur ballistischen Untersuchung an das Polizeilabor weitergeleitet«, erwiderte Jack. »Es ist schwer zu sagen, ob es dieselbe Schußwaffe war. Die Kugeln waren ziemlich deformiert. Die eine hat die zehnte Rippe zerschmettert und war völlig platt, und die andere war auch in einem recht schlechten Zustand. Ich glaube, sie hat die Wirbelsäule des Opfers gestreift.«
»Welches Kaliber?« wollte Laurie wissen.
»Kann ich vom bloßen Ansehen nicht sagen«, erwiderte Jack.
»Was meint Vinnie denn?« bohrte Laurie weiter. »Er ist doch ziemlich gut, wenn es um solche Einschätzungen geht.«
»Mit Vinnie ist heute absolut nichts anzufangen«, erklärte Jack. »Er muß heute mit dem linken Bein aufgestanden sein. Als ich ihn um seine Meinung gebeten habe, hat er mir einfach keine Antwort gegeben. Statt dessen hat er mir erzählt, es sei schließlich mein Job, das herauszufinden; außerdem werde er sowieso viel zu schlecht bezahlt, um auch noch ständig bei allen möglichen Fragen seinen Senf dazuzugeben.«
»Während dieser grauenhaften Cerino-Affäre hatte ich einen ähnlichen Fall wie diesen hier«, sagte Laurie. Für einen Augenblick starrte sie ins Leere. »Das Opfer war die Sekretärin eines Arztes, der in die Verschwörung verwickelt war. Man hatte ihr natürlich keine Leber transplantiert, aber man hatte ihr ebenfalls den Kopf und die Hände abgetrennt. Die Identifizierung ist mir schließlich anhand ihrer Operationsgeschichte gelungen.«
»Irgendwann mußt du mir diese Geschichte mal von Anfang bis Ende erzählen«, verlangte Jack. »Du kannst mich doch nicht immer nur mit einem Häppchen hier und einem Häppchen da abspeisen.«
Laurie seufzte. »Wenn ich dieses Drama doch bloß vergessen könnte! Ich habe heute noch Alpträume davon.«
Raymond sah auf seine Armbanduhr und betrat die renommierte Fifth-Avenue-Praxis von Dr. Daniel Levitz. Es war Viertel vor drei. Um kurz nach elf hatte Raymond zum
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