Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
die beiden Detectives kurz, um den Kindern zu sagen, dass er bloß in die Bibliothek gehe.
Mit einem Mal blieben Jack und Alexis alleine zurück und sahen sich an. Anfangs hatten sie aufmerksam den Beschreibungen der Kinder gelauscht, aber nachdem die Detectives sie ihr Martyrium immer wieder aufs Neue schildern ließen, um vielleicht doch noch auf ein möglicherweise vergessenes bedeutsames Detail zu stoßen, verloren sie das Interesse. Um sich in Ruhe unterhalten zu können, zogen sie sich in den Küchenbereich zurück.
»Ich wollte dir noch einmal sagen, wie leid mir das alles tut«, erklärte Jack. »Ich habe es nur gut gemeint, aber ich habe euch mehr Ärger bereitet, als dass ich eine Hilfe war.«
»Das konnte doch niemand voraussehen«, sagte Alexis. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du warst mir eine riesige moralische Hilfe, und das gilt auch für Craig. Er ist wie verwandelt, seit du da bist. Ich bin immer noch schockiert über die Einsicht, die er beim Mittagessen gezeigt hat.«
»Ich hoffe nur, es hält an. Was ist mit den Mädchen? Was glaubst du, wie sie die Erfahrung verarbeiten werden?«
»Ich bin mir nicht sicher«, gestand Alexis. »Sie haben eine ziemlich gefestigte Persönlichkeit, obwohl ihr Vater eigentlich so gut wie nie da war. Andererseits stand ich den dreien immer sehr nahe. Zwischen uns herrscht eine gute Kommunikation. Wir werden wohl von Tag zu Tag weitersehen und sie über ihre Gefühle und Ängste sprechen lassen müssen.«
»Hast du etwas Bestimmtes für sie im Auge?«
»Zuallererst sollen sie zu ihren Großeltern. Sie vergöttern ihre Großmutter. Sie müssen dort alle im gleichen Zimmer schlafen, worüber sie sich sonst immer beklagen, aber unter den gegebenen Umständen glaube ich, dass es ihnen guttun wird.«
»Begleitest du sie?«
»Darüber haben wir uns gerade unterhalten, als du ankamst. Ich tendiere schon dazu. Es ist ein Weg, anzuerkennen, dass ihre Ängste berechtigt sind, und das ist sehr wichtig. Das Letzte, was sie jetzt brauchen, sind Plattitüden, dass alles wieder gut wird und sie keine Angst zu haben brauchen. Sie sollen Angst haben. Es war offensichtlich ein schreckliches, sehr traumatisches Erlebnis. Und ich danke Gott dafür, dass sie nicht mehr körperliche Schäden davongetragen haben.«
»Wann entscheidest du, ob du nun fährst oder nicht?«
»Wahrscheinlich werde ich fahren. Ich war nur unsicher, weil Craig sagte, es wäre ihm lieber, wenn ich bliebe, und Tracy behauptete, sie wolle nicht, dass ich mitkäme. Du hast sie ja gehört. Aber ich glaube, das sind nur die üblichen großspurigen Behauptungen eines Teenagers. Und so sehr ich mir auch Gedanken um Craig und seine Bedürfnisse mache, wenn ich mich für eine Seite entscheiden muss, stehen die Kinder ganz klar an erster Stelle.«
»Glaubst du, sie werden professionelle Hilfe brauchen, eine Art Therapie oder so etwas?«
»Ich denke nicht. Nur wenn ihre Ängste anhalten oder überhandnehmen. Vermutlich wird es eine Ermessensfrage sein. Aber zum Glück habe ich im Krankenhaus ein paar Kollegen, die ich um Rat bitten kann, wenn es nötig sein sollte.«
»Ich habe nachgedacht«, sagte Jack. »Da meine Anwesenheit hier so viel Ärger heraufbeschworen hat, wäre es vielleicht das Beste, wenn ich in ein Hotel in der Stadt ziehen würde.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte Alexis. »Ich will nichts davon hören. Du bist hier, und du bleibst hier.«
»Bist du dir sicher? Ich würde es auch nicht persönlich nehmen.«
»Ich bin mir absolut sicher. Darüber brauchen wir gar nicht erst zu reden.«
Wieder klingelte es an der Tür. »Diesmal müssen es aber die Großeltern sein«, sagte Alexis entschieden und ging zur Tür.
Jack warf einen Blick zurück zur Sitzgruppe, wo die Detectives und die Kinder saßen. Ihre Befragung schien sich allmählich dem Ende zuzuneigen. Die beiden uniformierten Polizisten und der Mann von der Spurensicherung waren ins Wohnzimmer zurückgekehrt und untersuchten die Streifen Klebeband, mit denen die Kinder gefesselt worden waren.
Ein paar Minuten später führte Alexis die älteren Bowmans in den Raum. Leonard war ein dicker, käsiger Mann mit einem Dreitagebart, einem altmodischen Bürstenschnitt und einem runden Bauch, der vermuten ließ, dass er viel zu viel Zeit mit einem Bier in seinem Lieblingsruhesessel vor dem Fernseher verbrachte. Als Jack ihm vorgestellt wurde, lernte er einen noch charakteristischeren Wesenszug von Craigs Vater kennen:
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