Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
Wandschranks und brachte sein Rasierzeug ins Bad. Er freute sich zu sehen, dass es statt der üblichen Badewanne eine geräumige Duschkabine gab.
»Wie alt waren deine Töchter, als sie mit dem Flugzeug abgestürzt sind?«
Obwohl Jack damit hätte rechnen müssen, dass Christina nach seiner unzureichenden Antwort auf das heikle Thema zurückkommen würde, versetzte ihn diese direkte, persönliche Frage sofort wieder in den Augenblick, als er sich am Chicagoer Flughafen von seiner Frau und seinen Töchtern verabschiedet hatte. Es war fast auf den Tag genau fünfzehn Jahre her, seit er seine Familie zum Flughafen gefahren hatte, von wo aus sie einen Pendelflug zurück nach Champaign nehmen wollten, während heftige Gewitter und Tornados über die weiten Ebenen des Mittleren Westens heranzogen. Er war in Chicago, um sich zum Rechtsmediziner weiterzubilden, nachdem ein großer Gesundheitsversorgungskonzern damals, auf dem Höhepunkt der Expansion des kostenorientiert gesteuerten Gesundheitswesens, seine Augenarztpraxis geschluckt hatte. Jack hatte versucht, Marilyn zu überreden, nach Chicago zu ziehen, aber sie hatte sich wegen der Kinder geweigert.
Jacks Erinnerung an den letzten Abschied war mit den Jahren nicht verblasst. Als sei es gestern gewesen, sah er vor seinem inneren Auge Marilyn, Tamara und Lydia, denen er durch die gläserne Abtrennung hindurch nachschaute, wie sie die Rampe hinter dem Gate hinabgingen. Marilyn war die Einzige, die sich umdrehte und winkte. Tamara und Lydia waren in ihrer kindlichen Begeisterung bereits verschwunden.
Wie Jack später am Abend erfahren sollte, hatte sich das kleine Propellerflugzeug nur fünfzehn bis zwanzig Minuten nach dem Start mit voller Geschwindigkeit in den fruchtbaren schwarzen Boden der Prärie gebohrt. Es war vom Blitz getroffen worden und dann in einen tiefen Scherwind geraten. Alle Insassen waren sofort tot gewesen.
»Ist alles in Ordnung, Onkel Jack?«, fragte Christina. Ein paar Sekunden lang hatte Jack regungslos dagestanden.
»Ich bin okay«, sagte Jack mit spürbarer Erleichterung. Er hatte gerade erneut den Moment seines Lebens durchlebt, an den zu denken er mit aller Kraft vermied, und trotzdem spürte er diesmal nicht die üblichen körperlichen Folgeerscheinungen. Er fühlte sich nicht, als hätte sich sein Magen umgedreht, sein Herz einen Schlag ausgesetzt oder eine schwere, erstickende Decke sich auf ihn herabgesenkt. Es war eine traurige Geschichte, aber er spürte genug Distanz, dass es auch die eines anderen hätte sein können. Vielleicht hatte Alexis recht. Wie sie am Telefon gesagt hatte: Vielleicht hatte er seine Trauer verarbeitet und konnte wieder nach vorne schauen.
»Wie alt waren sie?«
»Genauso alt wie du und Meghan.«
»Das ist ja furchtbar.«
»Ja, das war es«, stimmte Jack ihr zu.
Zurück in dem großen Wohn-Ess-Bereich, an den eine offene Küche anschloss, forderte Alexis Jack auf, sich an den Tisch zu setzen, während sie die Nudeln kochte. Die Mädchen hatten sich ins obere Stockwerk zurückgezogen, um sich fürs Schlafengehen fertig zu machen. Am nächsten Tag mussten sie zur Schule. Jack ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Genau wie das Äußere des Hauses war er groß, aber trotzdem gemütlich. Die Wände waren in einem hellen Sonnengelb gestrichen. Ein tiefes, bequemes, mit einem hellgrünen geblümten Stoff bezogenes Sofa, auf dem mehrere Kissen verteilt waren, stand vor einem Kamin, über dem der größte Flachbildfernseher hing, den Jack jemals gesehen hatte. Die Vorhänge waren mit dem gleichen Motiv bedruckt wie der Sofabezug und rahmten ein abgerundetes Erkerfenster ein, das den Blick auf die Terrasse freigab. Er konnte einen Pool entdecken und dahinter erstreckte sich der Rasen, auf dem eine Gartenlaube stand.
»Ein schönes Haus«, bemerkte Jack. Seiner Meinung nach war es sogar mehr als nur schön. Verglichen damit, wie er selbst während der vergangenen zehn Jahre gewohnt hatte, war es der Gipfel des Luxus.
»Ich sagte ja schon am Telefon, Craig war ein wunderbarer Ernährer«, entgegnete Alexis, während sie die Nudeln in ein Sieb schüttete.
»Wo ist er überhaupt?«, fragte Jack. Niemand hatte bisher seinen Namen erwähnt. Jack vermutete, dass er nicht zu Hause war, vielleicht bei einem medizinischen Notfall oder bei einer Besprechung mit seinem Anwalt.
»Er schläft im oberen Gästezimmer«, antwortete Alexis. »Ich habe ja schon angedeutet, dass wir nicht im gleichen Zimmer schlafen, seit
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