Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
war er Gast in Craigs Haus.
»Ich nehme an, ich habe sie absichtlich nicht beantwortet«, gab sie zu. »Es ist ihm peinlich, um Hilfe zu bitten, genau wie du es am Telefon angedeutet hast. Es besteht kein Zweifel daran, dass er Abhängigkeit als ein Zeichen von Schwäche betrachtet, und in diesem Rechtsstreit fühlt er sich vollkommen von anderen abhängig.«
»Aber ich habe den Eindruck, er ist gar nicht derjenige, der um Hilfe bittet«, entgegnete Jack. Er hatte die Nudeln aufgegessen und wandte sich nun seinem Salat zu.
Alexis stellte ihr Weinglas ab. »Du hast recht«, sagte sie widerstrebend. »Ich bin diejenige, die für ihn um Hilfe bittet. Er ist nicht sehr glücklich darüber, dass du hier bist, weil es ihm peinlich ist. Aber ich bin sehr froh, dich hier zu haben.« Alexis griff über den Tisch nach Jacks Hand. »Danke, dass du dich um mich sorgst, Jack. Du hast mir gefehlt. Ich weiß, dass das für dich nicht gerade der beste Zeitpunkt zum Verreisen ist, und das macht es umso wertvoller. Danke, danke, danke.«
Emotionen wallten in Jack auf, und er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Gleichzeitig schaltete sich der für das Vermeidungsverhalten zuständige Teil seiner Persönlichkeit ein und gewann rasch die Oberhand. Er löste seine Hand aus Alexis’ Griff, trank einen großen Schluck Wein und wechselte das Thema. »So, dann erzähle mir mal etwas über den ersten Prozesstag.«
Ein leises Lächeln hob Alexis’ Mundwinkel. »Du bist noch genauso aalglatt wie früher! Das war eine beeindruckend schnelle Hundertachtzig-Grad-Wendung aus einem emotional aufgeladenen Bereich heraus. Hast du wirklich gedacht, ich würde das nicht bemerken?«
»Ich vergesse immer wieder, dass du Psychologin bist«, entgegnete Jack lachend. »Das war eine instinktive Reaktion aus Gründen des Selbstschutzes.«
»Zumindest gestehst du deine emotionale Seite ein. Wie auch immer, zum Prozess. Bis jetzt gab es lediglich die Eröffnungsplädoyers der beiden Anwälte und die Aussage des ersten Zeugen.«
»Wer war der erste Zeuge?« Jack aß das letzte Blatt Salat und griff nach seinem Weinglas.
»Craigs Steuerberater. Randolph Bingham hat uns im Nachhinein erklärt, dass der einzige Grund für seine Vorladung war, nachzuweisen, dass Craig der Verstorbenen gegenüber eine Verpflichtung eingegangen war, und das war nicht allzu schwer, da sie die Vorauszahlung geleistet hatte und Craig sie regelmäßig behandelte.«
»Was meinst du mit ›Vorauszahlung‹?«, fragte Jack verwundert.
»Craig hat vor fast zwei Jahren seine traditionelle Praxis aufgegeben und ist in eine Concierge-Praxis eingestiegen.«
»Tatsächlich?«, fragte Jack. Das hatte er gar nicht gewusst. »Warum das denn? Ich dachte immer, Craigs Praxis liefe so gut und er sei so glücklich mit seiner Arbeit.«
»Ich werde dir den wichtigsten Grund verraten, auch wenn er es nicht tun wird«, sagte Alexis und rückte näher an den Tisch heran, als wollte sie ihm ein Geheimnis anvertrauen. »Während der letzten Jahre hatte Craig mehr und mehr das Gefühl, dass ihm die Kontrolle über Behandlungsentscheidungen entglitt. Das weißt du sicher alles schon, aber mit dem wachsenden Einfluss der Krankenversicherungen und verschiedenen staatlichen Budgetierungen kam es zu immer stärkeren Eingriffen in die Beziehung zwischen Arzt und Patient, wobei den Ärzten im Wesentlichen vorgeschrieben wird, was sie überhaupt noch tun dürfen und was nicht. Für jemanden wie Craig bedeutete das einen endlosen, immer schlimmer werdenden Albtraum.«
»Und welchen Grund würde er selbst nennen, wenn ich ihn fragen würde, warum er gewechselt hat?«, wollte Jack wissen. Er war fasziniert. Er hatte schon von Concierge-Medizin gehört, sie aber immer nur für eine Randerscheinung beziehungsweise eine vorübergehende Mode gehalten. Er hatte sich noch nie mit einem Arzt unterhalten, der tatsächlich in einem solchen Rahmen praktizierte.
»Er würde nicht zugeben, in Bezug auf Behandlungsentscheidungen jemals einen Kompromiss eingegangen zu sein, weil er von außen dazu gedrängt wurde, aber damit würde er sich nur selbst belügen. Um seine Praxis wirtschaftlich zu halten, musste er immer mehr Patienten pro Tag behandeln. Sein Grund für den Wechsel zur Concierge-Medizin ist die Tatsache, dass sie ihm die Möglichkeit bietet, sich so um die Patienten zu kümmern, wie er es an der Universität gelernt hat, wo er mit jedem Patienten so viel Zeit verbringen konnte wie nötig.«
»Das
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