Monty Vampir
führte er Luzi an den Totenköpfen vorbei, die aus Morenos Seemannskistestammten und wahrscheinlich die Reste der Piratenmannschaft waren.
Monty hatte schon das komische rosa Kleid angezogen. Wenigstens konnte Luzi ihn nicht sehen und auslachen. Und wahrscheinlich meinte sie es ja gut mit ihm und wollte, dass er so schnell wie möglich erlöst wurde. Außerdem trug Luzi ein ähnliches Kleid, und er kannte sie schon gut genug, um zu wissen, dass sie das nur ihm zuliebe tat. Eigentlich bevorzugte sie ausgefranste, löchrige Jeans und T-Shirts, die so aussahen, als hätte sie gerade Soße draufgekleckert.
Monty musste kichern. Luzi wirkte jetzt fast wie ein artiges Mädchen.
Graf Aurelius schnarchte in seinem Sarg vor sich hin. Es klang nicht so, als würde er gleich aufwachen. Er gehörte eindeutig zu den Langschläfervampiren.
Monty und Luzi hockten sich hinter einen aufgeklappten leeren Sarg und warteten.
»Wenn er hochkommt, zeig ich mich und werde ihn anlocken«, flüsterte Luzi aufgeregt. »In allerletzter Sekunde verstecke ich mich, und dann musst du so tun, als wärst du ich und dich von ihm fangen und beißen lassen. Alles klar?«
Monty schluckte. In allerletzter Sekunde? War das nicht ein bisschen spät? Aber er wollte jetzt nicht mit Luzi diskutieren und sich dabei vielleicht noch von seinem Großvater erwischen lassen.
»Dein Opa schläft aber lange«, flüsterte Luzi in sein Ohr.
Monty wollte ihr gerade antworten, als sie plötzlich aufsprang und auf den Sarg zulief. Sie tastete nach der Hand seines Großvaters, hob sie an und ließ sie fallen. Dann drehte sie sich um und zuckte mit den Achseln.
Monty starrte sie fassungslos an. War sie denn komplett verrückt? Bei der Berührung durch Menschenhand erwachte doch jeder Vampir! Und Luzi befand sich viel zu nah an dem Sarg! Mit Schaudern bemerkte Monty, dass Graf Aurelius sich nun völlig geräuschlos erhob. Die leichtsinnige Luzi stand mit dem Rücken zu ihm und bekam es gar nicht mit! Monty winkte ihr hektisch zu, aber wenn überhaupt, sah sie ihn wohl nur schemenhaft.
»Komm schon!«, zischte er.
Jetzt erst warf sie einen Blick über dieSchulter. Graf Aurelius blickte sie aus großen Augen an.
»Huch!«, schrie Luzi und rannte los. Allerdings stolperte sie über einen Totenkopf und schlug lang hin. Ehe Monty es verhindern konnte, hatte sein Großvater sie erreicht und packte sie mit beiden Händen!
O nein! Der ganze Plan ging schief! Monty wollte etwas rufen, aber aus seinem Mund kam nur ein heiseres Krächzen. Er wollte ihr zu Hilfe eilen, stattdessen hockte er wie angewurzelt da.
Erst als Luzi gellend kreischte, kam er zu sich, und dann geschah etwas ganz und gar Seltsames. Er hörte, wie sein Großvater freundlich sagte: »Nett, dich kennenzulernen. Hast du dich vielleicht verlaufen?«
»Wollen Sie mich denn gar nicht beißen?«, fragte Luzi. Irgendwie hörte sie sich ganz enttäuscht an.
Graf Aurelius seufztetief. »Ach, wie gern würde ich das tun. Aber ich bin alt. Meine Zähne sind schon längst ausgefallen.«
Monty erholte sich langsam von seinem Schrecken, kam aus seinem Versteck und taumelte auf die beiden zu.
»Machen Sie Witze?«, fragte Luzi. Sie deutete auf die scharfen Goldspitzen, die aus Aurelius’ Mund blinkten.
»Leider nein«, antwortete der Vampir. »Meine Goldzähne sind nicht echt. Nur ein Gebiss, leider. Meine Tochter versorgt mich mit Blutspendebeuteln aus dem Krankenhaus. Sie arbeitet dort nachts gelegentlich als Aushilfe.«
»Das wusste ich ja gar nicht«, murmelte Monty erstaunt.
»Ah, du hast eine Zwillingsschwester?«, fragte Graf Aurelius und wandte sich zu Monty um. »Warte mal, ich setze meine Brille auf, dann kann ich euch beiden Hübschen besser erkennen.«
Graf Aurelius stapfte zu seinem Sarg zurück und Monty sah, dass seine Großmutter, die Fledermaus, ebenfalls erwacht war und aufgeregt über ihnen flatterte.
Er winkte ihr zu. Sie würde ihn doch sicher erkennen, oder? Doch plötzlich schoss das Tier im Sturzflug auf ihn hinab, und ehe er sich versah, biss sie ihn kräftig in den Hals!
Monty spürte einen scharfen Schmerz und schrie erschrocken auf. Graf Aurelius drehte sich überrascht zu ihnen um.
»Aber Isabella, Liebste, was tust du da?«, fragte er. »Das sind doch nur zwei arme Mädchen, die sich verlaufen haben.«
»Nein!«, schrie Monty. »Ich bin kein armes Mädchen. Und ich habe mich nicht verlaufen! Ich … Ich wohne hier nämlich.«
»Du wohnst hier?«, fragte Aurelius
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