Monument 14: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Kurzem in die Übertragung eingeschaltet hätten. So wie wir. Dann redete er von einem Vulkanausbruch auf der Kanareninsel La Palma.
Auf dem Monitor hinter den beiden Sprechern erschienen verwackelte Handkameraaufnahmen: Asche, ein flammender Berg.
Durch den Vulkanausbruch sei die gesamte Westseite der Insel explodiert, berichtete die Dame mit der zerlaufenen Schminke. Eine Lawine aus fünfhundert Milliarden Tonnen Fels und Lava habe sich ins Meer ergossen.
Davon existierten keine Aufnahmen.
Blauer Anzug sagte, die Explosion habe einen » Megatsunami « verursacht.
Eine achthundert Meter hohe Flutwelle.
Die sich mit fast tausend Stundenkilometern bewegte.
Kaputtes Make-up meinte, der Megatsunami habe auf seinem Weg zur amerikanischen Küste an Volumen zugelegt. Sie verstummte, die Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Blauer Anzug übernahm.
Um 4.43 Uhr Mountain Time hatte der Megatsunami die Ostküste der Vereinigten Staaten erreicht.
Boston, New York, Charleston, Miami.
Alle waren betroffen.
Die Zahl der Todesopfer war noch nicht abzusehen.
Ich saß reglos da. Vollständig betäubt.
Es war die schlimmste Naturkatastrophe seit Beginn der Aufzeichnungen.
Der heftigste Vulkanausbruch seit Beginn der Aufzeichnungen.
Der größte Tsunami seit Beginn der Aufzeichnungen.
Wieder wurden Bilder gezeigt.
Es war so schnell gegangen. CNN musste die Aufnahmen in Zeitlupe abspielen, damit man überhaupt etwas erkennen konnte.
Das Empire State Building, von der Straße aus gefilmt, und eine gewaltige Wolke, die sich Bild für Bild nähert. Nein, keine Wolke – eine Wasserwand. Dann erlosch das Bild.
Ein Strand, die Kamera blickt aufs Wasser. Aber da ist kein Wasser, sondern nur ein Boot, das eineinhalb Kilometer weit draußen auf dem trockenen Meeresgrund liegen geblieben ist. Eine Stimme betet zu Jesus. Das Bild bebt, bebt. Ein Donnern. Eine Welle erhebt sich, so hoch, dass das Minitab sie nicht einfangen kann. Und Dunkelheit.
Chloe befahl uns, aufs Kinderfernsehen umzuschalten. Wir ignorierten sie.
Kaputtes Make-up erklärte, die National Connectivity sei zusammengebrochen, weil sich drei der fünf Satellitenzentren an der Ostküste befunden hätten.
Blauer Anzug meinte, der Präsident habe den Notstand ausgerufen. Er befinde sich an einem sicheren, geheimen Ort.
Wir sahen schweigend zu.
Bis auf Chloe. » Ich will Tabi-Teens sehen « , quengelte sie. » Das ist langweilig! «
Ich musterte sie. Die Kleine hatte keine Ahnung von nichts. Sie pulte lustlos an einem Preisschild am Minitab-Regal.
Keiner der Kleinen schien kapiert zu haben, was geschehen war. Sie lungerten hinter uns rum und langweilten sich.
Aber ich konnte den Blick nicht vom Fernseher abwenden. Keine Zeit für die Kids.
Ich fühlte mich grau. Ausgewaschen. Wie ein Stein.
Kaputtes Make-up meinte, der Megatsunami habe zu extremen Wetterlagen im Rest des Landes geführt. Bei » Rest des Landes « stockte ihre Stimme. Sie sprach von überaus starken Stürmen, sogenannten Superzellen, die quer über die Rocky Mountains fegten (also über uns).
Ich warf einen Blick auf Josie. Sie starrte auf den Bildschirm. Caroline war auf ihren Schoß gekrochen, Josie streichelte ihr geistesabwesend den Kopf.
CNN zeigte weitere Aufnahmen von der Ostküste.
Ein Haus, das einen Berghang hinaufgespült worden war. Ein See voller Autos. Menschen, die halbnackt durch Straßen irrten, die früher sicher ausgesehen hatten wie alle anderen Straßen auch. Jetzt ähnelten sie der Kulisse eines Kriegsfilms.
Menschen in Booten. Weinende Menschen. Menschen, die durch Flüsse trieben wie Baumstämme, die zur Sägemühle transportiert wurden. Menschen, die irgendwo gestrandet waren, neben ihren Autos und Garagen, neben Bäumen, Mülltonnen, Fahrrädern und allem möglichen anderen Zeug. Menschen wie Treibholz.
Ich schloss die Augen.
Neben mir weinte jemand.
» Ich will Tabi-Teens sehen! « , nölte Chloe. » Oder wenigstens Traindawgs ! «
Ich fasste nach der Hand meines Bruders. Sie war eiskalt.
Wir sahen stundenlang fern.
Irgendwann schaltete jemand den Fernseher aus.
Irgendwann holte jemand Schlafsäcke für alle.
Die Kleinen jammerten viel. Wir Großen hatten wenig Trost auf Lager.
Die Kleinen gingen uns auf die Nerven. Vor allem Chloe und Batiste.
Batiste sprach dauernd vom » Ende der Tage « .
Genau so habe Reverend Grand es vorausgesagt, meinte er. Der Jüngste Tag sei gekommen. Am liebsten hätte ich ihm die schmierige kleine Fresse
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