Monuments Men
Göttliche überhaupt keine Notiz zu nehmen von ihrer Umgebung. Doch vor diesem Hintergrund wirkte sie geheimnisvoller und hoffnungsspendender denn je, ihre Schönheit triumphierte sogar inmitten all dieser Verwüstung und Verzweiflung.
Das Dorf war nicht verlassen, zumindest nicht ganz. Als Hancock die vereiste Hauptstraße hinabging, bemerkte er ein paar Leute, verstörte und erschöpfte Menschen, die aus den Ruinen ihrer Häuser herausspähten. Der curé der Kirche war wieder nicht da, aber ein Mann namens Monsieur George, der mit seinem blutigen Verband um den Kopf das perfekte Bild eines Überlebenden darstellte, bot Hancock seine Hilfe an.
»Ich komme wegen der Madonna«, sagte Hancock und setzte sich zu Monsieur George und seiner Frau an den Tisch in ihrer kleinen Küche. Er zog einen Brief heraus, der vom Bischof von Lüttich unterschrieben war, zu dessen Diözese diese Kirchengemeinde gehörte. »Der Bischof hat mir bis zum Ende des Krieges die Krypta im Priesterseminar in Lüttich angeboten. Das Wetter ist schlecht, ich weiß, aber wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich habe einen Lastwagen und einen guten Fahrer. Wir können sie gleich heute abholen.«
Monsieur George runzelte die Stirn. Ebenso seine Frau. »Die Madonna wird La Gleize nicht verlassen. Heute nicht und überhaupt niemals.« Monsieur George wollte nicht einmal zulassen dass sie aus der Kirche geholt wurde.
Aber der Schnee, die Kälte, das einsturzgefährdete Dach? – Hancock bemühte sich nach Kräften, aber der Mann ließ sich nicht umstimmen.
»Ich werde eine Versammlung einberufen«, sagte Monsieur George schließlich und beendete damit das Gespräch. Eine Stunde später hatten sich ein Dutzend misstrauische Leute – Hancock überlegte, ob dies alles Überlebenden des Dorfes waren – im Haus von Monsieur George eingefunden und hörten sich an, wie Hancock seinen aussichtslosen Standpunkt vertrat.
»Dieses Haus hat einen guten Keller«, erklärte Monsieur George schließlich. »Der curé ist während der Kämpfe bei uns gewesen. Einige von uns wurden zwar durch Kugeln verwundet die durch das kleine Fenster hereinflogen, aber jetzt ist diese Gefahr vorbei. Ich schlage vor, wir bringen die Madonna in den Keller.« 156
Hancock war nicht erfreut, aber dies erschien als der bestmögliche Kompromiss. Zumindest drohte dieses Haus nicht unmittelbar einzustürzen. Da sagte jemand: »Sie kann nicht weggebracht werden. Sie ist fest mit ihrem Sockel verbunden. Ich muss es wissen, ich habe sie schließlich eingemauert.«
»Wenn Sie so gute Arbeit geleistet haben, wissen Sie doch sicherlich auch, wie man sie wieder loslösen kann«, sagte Hancock.
Der Maurer schüttelte den Kopf. »Keine Macht der Welt kann sie aus dieser Verankerung befreien. Nicht einmal ich.«
»Und wie wäre es, wenn man den Sockel vom Boden löst?«
Der Maurer dachte einen Augenblick nach. »Das könnte gehen.«
»Sie darf nicht weggebracht werden«, rief eine andere Stimme. Hancock drehte sich um und sah einen kleinen Mann mit kantigem Kinn, der von seinem Stuhl aufgestanden war.
»Sei jetzt vernünftig ...«, rief Monsieur George, aber der Mann wollte nicht nachgeben. Die Madonna habe die Schlacht überstanden, sagte er. Sie sei alles, was ihnen von ihrem bisherigen Leben geblieben sei. Sie sei jetzt die Gemeinde. Sie verkörpere die Gnade Gottes, ihre Errettung. Wer sei dieser Ausländer, dieser ... Amerikaner, dass er glaube, er könne ihnen vorschreiben was sie zu tun hätten? Die Madonna könne dort stehen bleiben, wo sie schon immer gestanden habe, in der Kirche. Selbst wenn der Großteil der Kirche zerstört sei.
»Ich bin derselben Meinung wie der notaire«, sagte der Maurer.
Einige andere Anwesende rutschten auf ihren Sitzen umher. Hancock schaute von einem zum anderen, sah die ausgemergelten Gesichter und die vielen Verbände. Die Madonna war für diese Menschen kein Kunstwerk, erkannte er; sie verkörperte ihr Leben, ihre Gemeinschaft, ihre kollektive Seele. Warum sollte man sie in einem Keller verstecken, dachten sie, wenn wir sie jetzt mehr denn je brauchen? Sie hatte triumphiert. Nach allem, was sie durchgemacht hatten, konnten sie sich nicht vorstellen, dass die Gefahr zurückkehren könnte.
Aber Hancock wusste, dass die Gefahr noch nicht gebannt war, zumindest nicht für die Skulptur, denn das zersplitterte Dach und die schwer beschädigten Wände konnten zusammenstürzen. »Gehen wir in die Kirche«, schlug er vor. »Vielleicht finden wir dort
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