Monuments Men
gewesen, die Keck auf den Boden des Jeeps gedrückt, ihn dadurch vor den Kugeln abgeschirmt und ihm das Leben gerettet hatte. Das war ein Augenblick, an den sich Keck – und auch sein Sohn Keckie, der dank Hutch seinen Vater nicht im Krieg verloren hatte – immer erinnern würde.
Die Nachricht von Huchthausens Tod verbreitete sich wie jene vom Tod Ronald Balfours nur langsam in den Reihen der MFAA. Von den neun Offizieren, die an der Front eingesetzt waren, hatte nun der zweite sein Leben verloren. Die Reaktion der Kameraden bestand aus Schweigen, aus Resignation und aus stiller Besinnung, was auch im langsamen Gang jenes Offiziers zum Ausdruck kam, der auf das kleine Haus in Dorchester in Massachusetts zuging, um Walter Huchthausens Mutter mitzuteilen, dass ihr Sohn gefallen war.
»Er war ein wunderbarer Kamerad«, schrieb Walker Hancock mehrere Monate später an seine Frau Saima, als er fürchtete dass Hutch’s Arbeit in Vergessenheit geraten würde, »und er glaubte wirklich an das Gute in jedem Menschen. Bill [Lesley] kannte ihn besser als ich – er war ein alter Freund von ihm – doch Hutch’s Einstellung gegenüber seinem Auftrag im Krieg werde ich nie vergessen ... Die Häuser, die er als junger Architekt bauen zu können hoffte, wird es nie geben ... aber die paar Menschen, die ihn bei seiner Arbeit erlebt haben – Freund wie Feind – müssen seinetwegen ein besseres Bild von der Menschheit haben.« 205
TEIL IV
DIE LEERE
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SALZ
Altaussee, Österreich
1100 bis 1945
Die Alpen, das höchste und am stärksten zerklüftete Gebirge in Europa, erreichen entlang der deutsch-österreichischen Grenze eine Höhe von rund 1600 Metern über dem Meeresspiegel. Sie bilden eine Landschaft aus schroffen Felswänden und schneebedeckten Bergen, über die malerische Hütten verstreut sind. Von Salzburg aus, dem wichtigsten Einfallstor im Norden, windet sich die Straße in Haarnadelkurven die Berge hinauf und wieder hinab in dicht bewaldete grüne Täler, von denen eines abgelegener erscheint als das andere. Kilometerweit sind die Wälder so dicht, dass man nichts als Bäume sieht. Dann taucht plötzlich ein Bergsee auf und an den dahinter liegenden Hang schmiegt sich ein Städtchen im Zuckerbäckerstil, dessen Häuser mit spitzen Dächern und Holzschnitzereien versehen sind. Ungefähr 70 Kilometer von Salzburg entfernt liegt der Pötschenpass. Die Straße, die über ihn führt, ist so steil, kurvenreich und gefährlich dass man sie mit dem Auto kaum befahren kann, doch der Pass weicht schließlich einem alpinen Hochtal, an dessen Ende das kleine Bad Aussee liegt und einige Kilometer weiter, wiederum am Ufer eines spektakulären Bergsees, das noch kleinere Dorf Altaussee.
Von hier aus steigt die Straße so steil an, dass der Pötschenpass im Vergleich dazu wie ein gemäßigter Hang wirkt. Neben der Straße fließt ein klarer, rauschender Gebirgsbach, und dahinter erheben sich gewaltige, atemberaubende Berge. Sie bestehen aus Kalksteinablagerungen, die sich in den Tiefen eines Jahrmillionen alten Sees anhäuften, und erscheinen unterhalb ihrer Schneekappen selbst an den sonnigsten Tagen grau. Ein schlichtes Steingebäude, das gefährlich nahe an einem 300 Meter tiefen Abgrund steht, markiert den Anfang vom Ende. Dahinter gibt es nur noch ein niedriges windschiefes Gebäude und eine Felswand, die steile Seite des Sandling, eines allein stehenden Berges. In diesen Berg wurde ein kleiner Tunnel hineingetrieben, der Haupteingang zu einer alten Saline. Einer Legende zufolge wurde hier schon vor dreitausend Jahren Salz abgebaut – vor der Gründung Roms, in der Hochphase des altägyptischen Reiches. Die schriftlichen Aufzeichnungen reichen allerdings nur bis ins 12. Jahrhundert zurück.
Zu jener Zeit, an der ersten Jahrtausendwende, stellte Salz eine Grundlage der Zivilisation dar. Ohne Salz konnten Nahrungsmittel nicht aufbewahrt oder transportiert werden, daher war die Gesellschaft zu ihrem Überleben auf Salz angewiesen. Römische Legionäre wurden manchmal mit Salz bezahlt (daraus entwickelte sich das englische Wort salary für »Bezahlung« oder »Sold«), und Kaufleute zogen mit großen Karawanen über die Salzstraßen, die das abendländische Europa mit dem Morgenland, mit Asien und Arabien verbanden. In Tibet beobachtete Marco Polo, dass Salz in Scheiben gepresst wurde, die, versehen mit dem Bild des Großkhans, als Zahlungsmittel dienten. In Timbuktu, der großen untergegangenen Kultur in Afrika, war Salz
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