Monuments Men
Gelatineschicht leicht vor Rost geschützt werden. Niemand, nicht einmal Hitler, hätte sich ein besser geeignetes natürliches Versteck für die Tonnen von Beutekunst ausdenken können.
Und zugleich arbeiteten die Bergleute weiter, wie sie es seit Jahrtausenden getan hatten; sie leiteten Wasser in leere Gänge und schwemmten das Steinsalz über den Berg hinab nach Bad Ischl. Auch als 1944 und Anfang 1945 immer mehr Kunstobjekte angeliefert wurden, ging die Arbeit im Bergwerk weiter. Häufig mussten die Männer beim Abladen der Kisten mit anpacken, die meist mit der Aufschrift »A. H., Linz« versehen waren. Von Mai 1944 bis April 1945 wurden mehr als 1687 Gemälde von Hitlers Führerbau, seinem Büro in München, hierher ausgelagert. Im Herbst 1944 wurde der Genter Altar nach Neuschwanstein gebracht, Michelangelos Brügger Madonna folgte kurz darauf, nachdem sie im Oktober 1944 per Schiff aus Belgien abtransportiert worden war.
Am 10. April 1945 und abermals drei Tage später, am 13. April wurden acht weitere Kisten in das Bergwerk geschafft. Diese stammten nicht von hohen NS-Funktionären in Berlin, sondern kamen von August Eigruber, dem örtlichen Gauleiter. Auf den Kisten stand: »Vorsicht! Marmor – nicht stürtzen [sic]«. 229 Aber sie enthielten keine Skulpturen, wie die Bergleute vermuteten, die sie ins Innere der Saline trugen. Gauleiter Eigruber war ein entschiedener Befürworter von Hitlers Nero-Befehl. Die Kisten enthielten keine Kunstgegenstände, sondern 500 Kilogramm schwere Bomben, von denen jede so groß war, dass bequem sechs Männer darauf hätten sitzen können. Eigruber war entschlossen das Bergwerk zu zerstören ... und damit auch die unschätzbar wertvollen Kunstwerke, die sich darin befanden.
Der alliierte Oberbefehlshaber Dwight D. Eisenhower betrachtete besorgt die Landkarte Deutschlands. Mit der Überquerung des Rheins durch die Truppen der westlichen Alliierten in Verbindung mit dem Vorrücken der Roten Armee über die Oder war Deutschlands Schicksal besiegelt worden. Churchill und andere Politiker appellierten an die westlichen Alliierten, sich Gedanken über ihre Nachkriegsziele zu machen, was kurzfristig vor allem bedeutete, die Sowjets nach Berlin zurückzudrängen. Eisenhower hatte diesem Plan zunächst zugestimmt, doch aufgrund der Umstände auf dem Kriegsschauplatz begann er daran zu zweifeln, dass ein Marsch auf Berlin tatsächlich klug sein würde. Bei einer Pressekonferenz am 27. März wurde er mit einer entsprechenden Frage konfrontiert. Die westlichen Alliierten waren noch immer 320 Kilometer von der deutschen Hauptstadt entfernt; die Sowjets hatten dagegen nur noch 50 Kilometer nach Berlin. »Nun«, räumte Eisenhower ein, »die Entfernung spricht dafür, dass sie [die Sowjets] es wohl schaffen werden.« 230
Doch nicht die Rote Armee bereitete ihm Sorgen. Die Niederlage der Deutschen mochte unabwendbar sein, aber sie waren bei Weitem noch nicht besiegt. Die Wehrmacht kämpfte weiterhin an allen Fronten und hatte eine starke Festung im Rücken: die Alpen.
Seit Monaten gingen die westlichen Kriegsplaner davon aus, dass die deutsch-österreichische Grenzregion – der Raum zwischen Salzburg im Norden, Linz im Osten und dem Brenner-Pass an der italienischen Grenze – der letzte Rückzugsort des NS-Regimes sein würde. In dieser Region, Hitlers Heimat, waren große Mengen an Waffen und Lebensmitteln gelagert, und man vermutete dass es dort eine Vielzahl von befestigten, gut gesicherten Verteidigungsstellungen gab. In einem Bericht des Hauptquartiers (SHAEF) hatte es geheißen: »Dieses Gebiet ist aufgrund des Terrains nahezu uneinnehmbar.« 231
Eisenhower und seine wichtigsten Berater wie beispielsweise General Bradley fürchteten, Hitler könnte sich aus Berlin absetzen und in den Bergen Zuflucht suchen. Seit Wochen meldeten die Geheimdienste, dass SS-Eliteeinheiten von Berlin nach Süden verlegt wurden, von der russischen Front nach Westen und vom italienischen Kriegsschauplatz nach Norden. Sie sollten anscheinend in Berchtesgaden zusammengezogen werden, der kleinen Marktgemeinde, in der Hitler und sein engster Kreis ihre Sommerresidenzen hatten und auch häufig Regierungsgeschäfte erledigten. Mit Hitler an der Spitze oder auch ohne ihn – Eisenhower fürchtete, dass selbst eine kleine Truppe bestens ausgebildeter, entschlossener Kämpfer, die sich in den Bergen verschanzte, die alliierten Streitkräfte jahrelang würde hinhalten können.
Eisenhower verachtete die
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