Monuments Men
Uniformierten Haltung an und salutierten.
»Quand pourrons-nous rentrer en France?«, rief jemand. 203
Hancock drehte sich um und entdeckte eine Gruppe französischer Kriegsgefangener, die ihn erwartungsvoll anblickten. Wann würden die Alliierten kommen, um sie zu befreien? Hancock wusste es nicht, daher erklärte er ihnen nur, dass er in den vergangenen Wochen viele Lastwagen mit Kriegsgefangenen gesehen habe, die nach Westen unterwegs waren. Am Eingang packte ein alter Mann Hancock am Ärmel und schimpfte über die Grausamkeit der Nazis. Er ereiferte sich so sehr, dass ihm Schaum in die Mundwinkel trat. Er versuchte den Amerikanern zu folgen, war aber zu schwach. Hancock ließ ihn am Fuß des Hügels bei den anderen zurück. Als er sich nach einer Weile umblickte, stand der Mann noch immer da und beobachtete sie. Hancock empfand Mitleid, aber er war hundemüde, und er konnte nichts anderes tun. Er hatte sich einen Nachmittag lang unter der Erde aufgehalten, aber es erschien ihm wie eine Ewigkeit.
Er schaute ein letztes Mal zurück. Im abendlichen Dämmerlicht wirkte der Berg wie jeder andere beliebige Berg in Deutschland ramponiert und verlassen und von Schutt übersät. Nichts deutete auf die Wunder und die Schrecken hin, die er in sich barg.
35
GEFALLEN
Östlich von Aachen
4. April 1945
Hauptmann Walter »Hutch« Huchthausen und sein Assistent Sergeant Sheldon Keck, die Monuments Men der 9. US-Armee, fuhren durch Rheinland und Ruhrgebiet zur Front, um Berichten über einen Altar nachzugehen. Huchthausen war ein leutseliger Junggeselle, der sich mittlerweile von den Verletzungen erholt hatte, die er bei der Bombardierung von London erlitten hatte und der jetzt mit 40 Jahren allmählich zeigte, was in ihm steckte. Keck, ein verheirateter Konservator, war 1942 in die Armee eingetreten, als sein Sohn »Keckie« erst drei Wochen alt war. Seitdem hatte er sein Kind nicht mehr gesehen, aber seine Frau Catherine, ebenfalls Kunstkonservatorin, beklagte sich niemals. Sie hatte in den 1930er-Jahren in Berlin studiert, als es wenig zu essen und keine Arbeitsmöglichkeiten gab, aber die Korruption überhand nahm. An ihrer Universität brachten sich jeden Monat 15 Studenten um, bis die Hochschule schließlich geschlossen wurde. Zweimal hatte sie einer Rede von Hitler beigewohnt, und seine Worte jagten ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Sie wünschte sich Sheldon zurück, wusste aber auch, wie wichtig seine Mission war. Außerdem redete sie sich ein, dass der kleine Keckie in den ersten Jahren vielleicht gar nicht mitbekommen würde, dass sein Vater nicht da war.
»Nicht viel Verkehr hier draußen«, bemerkte Keck, nachdem sie zwanzig Minuten gefahren waren. Die Landkarten hatten sich wie üblich als nutzlos herausgestellt, da viele Straßen durch Beschädigungen oder feindliche Kombattanten unpassierbar geworden waren. Die Monuments Men waren es gewohnt, herumzuirren, aber sie waren es auch gewohnt, Jeeps, Panzern und Lastwagen zu begegnen, den üblichen Fahrzeugen an der Front. Doch hier gab es nichts dergleichen.
»Fragen wir jemand nach dem Weg«, schlug Keck vor.
Es gab keine alliierten Militärposten an der Straße, aber ein paar Kilometer weiter entdeckte Hutch amerikanische Soldaten, die von einer Böschung aus die Straße beobachteten.
»Gott sei Dank«, sagte er und fuhr langsamer.
Aber als er bremste, begann der Beschuss. Sheldon Keck, der auf dem Beifahrersitz saß, hörte die Explosion fast im selben Augenblick als er spürte, dass ihn eine starke Kraft zu Boden riss. Er sah, dass amerikanische Soldaten in der Böschung aufsprangen dann überwältigte ihn das Adrenalin, die Welt um ihn herum wurde schwarz und alles verschwand im Dunkel. Später erinnerte er sich nur noch daran, dass ihn hilfsbereite Hände in ein Schützenloch gezogen hatten. Der Jeep wurde auf der Straße zerschossen. Die Soldaten konnten ihm nur berichten, dass Hutch von Sanitätern weggebracht worden war. »Er blutete aus einem Ohr und sein Gesicht war schneeweiß«. 204
Zwei Tage lang eilte Keck von einem Feldlazarett zum nächsten und suchte nach seinem vorgesetzten Offizier. Nirgendwo erfuhr er etwas; es gab keine verwundeten Soldaten mit den Erkennungsmarken seines alten Freundes. Schließlich fand er ihn doch noch, aber nicht in einem Feldlazarett, sondern auf der Liste der Toten. Walter »Hutch« Huchthausen war von Kugeln getroffen worden und auf der Straße östlich von Aachen gestorben. Sein Körper war jene Kraft
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