Monuments Men
abgezogen, weil sich zwei Generäle nicht einigen konnten. Aber ich bin froh, dass ich hier bin. Ständig wird über Züge mit Kunstobjekten berichtet. Ich kann meine Gedanken gar nicht richtig sammeln in diesen Tagen ...
Bislang habe ich noch keine Berichte über meine Arbeit gesehen, in denen auch von den maßgeblichen Leuten, den Informationen und den Kunstwerken des Einsatzstabs Rosenberg die Rede war. Das war schon mein persönliches Ziel gewesen, als ich zum Militär ging, als ich in die Abteilung Civil Affairs versetzt wurde, als ich vor der Leitung des American School Center in Shrivenham stand und als ich während meiner acht Monate in Paris mit anderen Aufgaben beschäftigt war. Fast hätte ich es nicht nach Deutschland geschafft. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dass es unsere Armeegruppe war, die alle diese Orte besetzt hat, die bis auf zwei Ausnahmen die allerwichtigsten sind ... Jetzt ist es mein sehnlichster Wunsch, meine militärische Laufbahn so bald wie möglich zu beenden und ins Zivilleben zurückzukehren. Mach dir nicht die Mühe, mir irgendwelche Sachen zu schicken. .... Im Moment brauche ich nichts, da ich alles, was ich benötige, in der Kaserne bekomme. Ich weiß noch nicht, wohin ich als Nächstes kommen werde, aber ich bin weiter ständig auf Achse.
Nun muss ich wieder an die Arbeit. Alles Liebe, alles Weitere dann, wenn sich die Dinge etwas beruhigt haben.
Jim
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AUF DEM WEG NACH HAUSE
Heilbronn
September bis November 1945
Mit dem Ende der Kämpfe endete die Arbeit der Monuments Men noch lange nicht. Wie die Situation in Altaussee zeigte, war das Aufspüren von Raubkunst nur der erste Schritt in einem langen Prozess. Die Kunstobjekte mussten untersucht und katalogisiert und dann verpackt und aus den Bergwerken, Schlössern, Klöstern und schlichten Erdlöchern abtransportiert werden, wo sie versteckt worden waren. In fast allen Unterbringungsorten gab es NS-Archive, die ebenfalls weggebracht werden mussten, damit die Forscher feststellen konnten, woher die Kunstgüter kamen und wer ihre rechtmäßigen Besitzer waren. Die Archive führten zwangsläufig zur Entdeckung weiterer Depots ebenso wie die Befragungen der NS-Funktionäre, die nach dem Zusammenbruch des Regimes festgesetzt worden waren. Und fast jeden Tag stießen Soldaten auf unerwartete Schätze, die in Kellern, Zugwaggons, Lebensmittellagern und Ölfässern versteckt waren.
Bis zum 4. Juni, knapp einen Monat nach der deutschen Kapitulation, wurden allein im Zuständigkeitsbereich der 7. US-Armee 175 Kunstdepots ausfindig gemacht. Die MFAA wurde so schnell wie möglich durch weitere Offiziere und Soldaten verstärkt – die große Mehrzahl der 350 Männer und Frauen, die in der multinationalen MFAA-Organisation mitwirkten, waren erst nach dem Ende der Feindseligkeiten dazugestoßen –, doch bislang waren erst ein paar der betreffenden Bergwerke und Schlösser ausgeräumt worden. Und jedes Objekt, das aus einem Loch geholt wurde, musste irgendwo anders hingebracht werden. Dem emsigen James Rorimer war es gelungen, der MFAA eines der begehrtesten Gebäude in München zu sichern: den Gebäudekomplex, in dem früher die Parteizentrale der NSADP untergebracht gewesen war. Bald wurden aus allen Teilen Süddeutschlands und Österreichs Kunstwerke und andere geraubte Kulturgüter zu diesem Gebäude geliefert, das jetzt als Central Collecting Point München bezeichnet wurde. Im Juli waren die verfügbaren Räumlichkeiten schon fast voll, daher sicherte sich Rorimer ein ähnliches Gebäude in Wiesbaden. Einige Wochen später wurde ein Gebäude auf dem Gelände der Marburger Universität für die Unterbringung von Archiven beschlagnahmt. Walker Hancock, dem stets optimistischen Monuments Man der 1. US-Armee, wurde die Leitung dieser Einrichtung übertragen.
James Rorimer hielt es dagegen nicht lange an einem Ort. Nach kurzer Zeit brachte er Harry Ettlinger mit, den deutsch-jüdisch-amerikanischen Soldaten, der am Tag vor der Kapitulation der Deutschen als sein persönlicher Übersetzer in sein Büro gekommen war. Plötzlich wurde Harrys Militärdienst so aufregend und interessant, wie die vorhergehenden vier Monate öde und langweilig gewesen waren. 320
Mitte Mai nahm Rorimer ihn mit ins Gefängnis zu einem vierstündigen Verhör eines Deutschen. Rorimer hatte sich seit Tagen um den Mann bemüht: Er hatte versucht, sich mit ihm anzufreunden, ihm Zigaretten geschenkt und ihm Mitgefühl vorgespielt. Schließlich
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