Monuments Men
Rachegedanken erfüllt. Auf einer ihrer Fahrten war Kirstein einmal falsch abgebogen und in eine Kolonne deutscher Soldaten geraten. Es gab keinen Platz, um zu wenden, und so waren er und Posey mehrere Minuten lang vom Feind umgeben und fragten sich, ob sie die Gefangenen waren oder die anderen. Schließlich aber konnten sie unbehelligt aus der Kolonne ausscheren; die Deutschen zogen einfach weiter.
Als die Monuments Men die Grenze nach Österreich überquerten schien der Schrecken zu weichen, und sie konnten wieder etwas aufatmen. Anstatt Kopfkissenbezügen hingen nun rotweiße Fahnen in den Fenstern, das Zeichen des österreichischen Widerstands. Die Straße begann sich in Schleifen den Hang hinaufzuwinden. In der Ferne schimmerten schneebedeckte Berge, und die verstreuten Bergdörfer wirkten mit ihren bunten Hütten und dem geschnitzten Gebälk wie kleine Zuckerbäckerstädtchen.
Auf der anderen Seite von Bad Ischl trafen sie auf die 6. deutsche Armee, die über mehr als eineinhalb Kilometer auseinandergezogen zu sein schien »mit Köhlern, von Pferden gezogenen Sanitätsfahrzeugen und Lastwagen mit Motorschaden. Frauen und Verwundete waren darunter, ungarische Panzereinheiten, Männer zu Fuß, ohne Waffen – Tausende von geschlagenen, heimwärts ziehenden, aber durchaus frohgemuten Soldaten.« 283
Posey und Kirstein hielten kurz bei einem Wirtshaus in Altaussee einem kleinen Dorf in den Wäldern in der Nähe eines unberührt wirkenden Bergsees. Vor der Gaststätte boten penibel uniformierte SS-Offiziere den Befreiern ihre Dienste an, denn diese würden, davon waren sie überzeugt, gewiss bald den Krieg gegen die Russen aufnehmen. Nein? Dann wollten sich die SS-Offiziere gerne ergeben, sofern sie ihre Seitenwaffe behalten dürften. Sie fürchteten, ihre eigenen Männer könnten ihnen in den Rücken schießen.
Drinnen feierten die amerikanischen Soldaten. Mit der Hilfe österreichischer Bergsteiger hatten einige Amerikaner in der Nacht nach Ernst Kaltenbrunner gesucht, dem berüchtigten Chef der Sicherheitspolizei und des SD, und ihn schließlich am Morgen aufgespürt. Der gerissene SS-Funktionär hatte seine Abzeichen in einen See geworfen und sich erfolgreich als Arzt ausgegeben. Doch er war enttarnt worden, als seine Geliebte seinen Namen rief und ihm zuwinkte, als er mit einer Gruppe deutscher Gefangener durch ein nahe gelegenes Städtchen zog.
Posey und Kirstein fuhren weiter. Nun mussten sie nur noch eine steile, gewundene Steigung bis zur Saline bewältigen, aber als sie wieder allein auf der Straße waren, verspürten sie eine gewisse Unsicherheit. Überrascht stellten sie fest, dass in den Gebäuden vor dem Bergwerk – einem unscheinbaren Wachhaus und einem Bürobunker vor hoch aufragenden Bergen – emsige Betriebsamkeit herrschte. Zwei Jeeps und eine Wagenladung von Soldaten der 80. US-Infanteriedivision hatten die paar Gebäude kampflos eingenommen, aber was genau sie erobert hatten, darüber wurde noch diskutiert. Die beteiligten Gruppen – die Bergmänner, die Kunstschützer, die Wachen, die SS-Leute – konnten sich anscheinend nicht darüber verständigen, was geschehen war. Und insbesondere nicht darüber, wer was getan hatte.
Nach einem kurzen Gespräch mit dem kommandierenden Offizier, Major Ralph Pearson, der ihnen versicherte, dass der Hauptschacht frei von Sprengfallen sei, griffen sich Posey und Kirstein Karbidlampen und gingen in die Saline. Der Gang führte direkt in eine Seite des Berges. Instinktiv zogen die beiden Männer die Köpfe ein, obwohl der Eingang 2,10 bis 2,40 Meter hoch war. Das Licht ihrer Lampen bewegte sich von einer Seite zur anderen, als sie den Gang entlanggingen und sich die Dunkelheit vor ihnen öffnete und hinter ihnen wieder schloss. Kirstein berührte die Wand und spürte einen leichten elektrischen Schlag – unter Strom stehende Sprengdrähte, die entweder beschädigt oder durchgeschnitten worden waren. Nach ungefähr 400 oder 500 Metern – das konnte man in der Dunkelheit nicht feststellen – stießen sie auf Geröll, das über den Boden verteilt war. Die Männer stiegen schnell darüber hinweg. In der Wand bemerkte Kirstein ein Loch, das mit Röhren gefüllt war, und aus seiner kurzen Ausbildung im Feldzeugwesen wusste er, dass es sich dabei um Dynamit handelte. Die Dynamitstangen waren für die Zerstörung zurechtgelegt, aber nicht angezündet worden. Er stieg über die Felsbrocken und sprang hinab auf den festgetretenen Erdboden, dann folgte er
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