Monuments Men
Nordfrankreich erlassen.
In Kürze werden wir auf dem europäischen Kontinent vorrücken in unserem Kampf, der dem Schutz unserer Zivilisation dient. Unvermeidlicherweise werden wir auf unserem Vormarsch auch auf historische Monumente und Kulturgüter stoßen, die gegenüber der Welt all das symbolisieren, was wir zu bewahren suchen.
Es ist die Pflicht jedes Truppenkommandanten, diese Symbole zu respektieren und möglichst zu schützen.
In manchen Fällen wird der Erfolg unserer militärischen Operation behindert werden durch unsere Weigerung, diese hoch geschätzten Objekte zu zerstören. Dann, wie in Cassino, wo der Feind unsere emotionale Befangenheit zur Stärkung seiner Verteidigung nutzte, besitzt das Leben unserer Männer Vorrang. Wenn also die militärischen Notwendigkeiten es erfordern, können die Kommandanten die nötigen Aktionen befehlen, auch wenn dies mit der Zerstörung solcher bedeutender Stätten verbunden ist.
Doch in vielen Situationen sind Beschädigungen oder Zerstörungen nicht notwendig und daher nicht zu rechtfertigen. In diesen Fällen sollen die Befehlshaber Zurückhaltung und Disziplin üben und diese Stätten und Objekte von historischer und kultureller Bedeutung erhalten. Die Mitarbeiter von Civil Affairs auf den höheren Rängen werden die Kommandanten auf die Lage dieser Kulturgüter hinweisen, sowohl an den Fronten als auch in den besetzten Gebieten. Diese Informationen werden zusammen mit den erforderlichen Instruktionen durch die Kommandokanäle an alle Dienstgrade übermittelt werden.
Eisenhower
Am folgenden Tag übermittelte die MFAA an Eisenhowers Hauptquartier im Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces (SHAEF) eine Liste der zu schützenden Kulturgüter in Frankreich. Bei Militärs und Zivilisten herrschte gleichermaßen große Anspannung. Die weitere Entwicklung des Krieges hing davon ab, dass der große Sprung ins Unbekannte gelang: die Operation Overlord, die Landung in Nordfrankreich. Nachdem er über die Pläne unterrichtet worden war, ergriff Winston Churchill Eisenhowers Hand und sagte zu ihm mit Tränen in den Augen: »Ich stehe bis zum Ende an Ihrer Seite, und wenn es schiefgeht, gehen wir gemeinsam unter.« 47 Eine Niederlage hätte im günstigsten Fall weitere zwei Jahre Umgruppierungen und Umplanungen bedeutet, im schlimmsten Fall das Ende Großbritanniens. Niemand, am allerwenigsten die Feldoffiziere, die die Liste der unantastbaren Gebäude in den künftigen Kampfgebieten billigten, wollte dem Erfolg im Weg stehen. Die MFAA-Liste der schützenswerten Kulturgüter wurde von vielen Feldkommandeuren aber als zu umfangreich und als hinderlich für taktische Manöver abgelehnt.
Die Leiter der MFAA mussten eine Entscheidung treffen: Sollten sie sich dem Druck der Militärs beugen oder für ihren Auftrag und ihre Überzeugungen kämpfen? Anstatt die Liste zu verändern, entschloss sich Woolley, sie näher zu erläutern. Von den 210 zu schützenden Gebäuden in der Normandie, erklärte er dem SHAEF, seien 84 Kirchen. Bei den übrigen handele es sich überwiegend um römische oder mittelalterliche Überreste, prähistorische Steinkreise, Brunnen und ähnliche Bauten, die der Armee nicht viel von Nutzen sein würden. In der gesamten Normandie, schätzte er, gebe es nur 53 Gebäude, die zu militärischen Zwecken nutzbar seien und zugleich von der MFAA als schützenswert eingestuft wurden. Nachdem die Armeeführung die Erläuterungen gelesen hatte, wurde die Liste umgehend akzeptiert. Am 1. Juni hatte die MFAA ihre vorgesehene Stärke erreicht. 15 Männer sollten auf dem europäischen Festland (mit Ausnahme von Italien) eingesetzt werden: acht Amerikaner und sieben Briten (ein weiterer Amerikaner und drei Briten waren seit Stouts »Gruppenporträt« im März noch dazugekommen und den »Ländereinheiten« Frankreich, Belgien und Deutschland zugeteilt worden). Sieben dieser Männer sollten im SHAEF-Hauptquartier arbeiten. Die übrigen acht wurden bei den britischen und amerikanischen Armeen und in der »Communications Zone« platziert. Um den gemeinsamen Charakter der Operation zu betonen, wurden sie über den Linien eingesetzt, das heißt, ein Amerikaner kam zur 21. britischen Heeresgruppe und ein Brite zur 1. US-Armee. So unmöglich es erscheinen mag – es war die Aufgabe dieser acht Offiziere, alle bedeutenden Kulturgüter zu inspizieren und zu schützen, mit denen die alliierten Streitkräfte auf ihrem Weg vom Ärmelkanal nach Berlin in Berührung kommen
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