Monuments Men
Wertvolle Informationen. Ihr hat es die Résistance zu verdanken, dass sie die Abfahrt der letzten deutschen Züge mit wertvollen geraubten Kunstgütern aus den größten französischen Privatsammlungen auf unbestimmte Zeit verzögern konnte.«
Jaujard blieb stehen. »Ich kenne sie, James. Ihre Loyalität gegenüber Frankreich und der Kunst steht außer Frage. Wenn Sie sie näher kennenlernen, werden Sie das verstehen.« Er ging weiter. »Wenn Sie Zweifel haben«, fuhr er lächelnd fort, »fragen Sie sie einfach nach Einzelheiten über den Kunstzug. Rose Valland hat wahrscheinlich mehr wichtige Gemälde gerettet, als die meisten Konservatoren in ihrem ganzen Leben in die Hände bekommen. Vor allem jene, die nicht diesen grauenhaften Krieg durchleben mussten. Ah, da sind wir.«
Sie betraten den Raum, in dem der Teppich von Bayeux der Länge nach über zwei Wände ausgebreitet war. Rorimer ging langsam an ihm entlang, fasziniert von seiner künstlerischen Vollendetheit. Die gelungene Darstellung der Details, die außergewöhnliche Vielfalt der Geschichten und die Szenen des mittelalterlichen Lebens zogen an seinen Augen vorüber in all ihrer Pracht, ein Roman in Form von Bildern.
»Seit meinem Besuch vor zwei Wochen habe ich darüber nachgedacht«, sagte Rorimer vom hinteren Ende des Raumes aus. Eine der letzten Szenen, in der, wenn er sich richtig erinnerte, versprengte Soldaten dargestellt waren, die ihre Waffen und Schilde in die Höhe reckten, war durch eine behelfsmäßige Wand verborgen. »Wurde dieser Teil beschädigt? Nach so vielen Jahrhunderten?«
Jaujard schüttelte den Kopf. »Es hat nichts mit dem Zustand des Teppichs zu tun«, sagte er »sondern mit der Inschrift: In fuga verterunt Agli – Die Engländer wandten sich zur Flucht.«
Rorimer fiel plötzlich ein, was die versprengten Soldaten darstellten: die englische Armee, die vor der Übermacht der Franzosen zurückwich. Er musste lachen. »Sehr rücksichtsvoll, finden Sie nicht auch?«
Jaujard zuckte mit den Schultern. »Wir befinden uns im Krieg.«
19
WEIHNACHTSGRÜSSE
Metz, Frankreich
Dezember 1944
Der Winter 1944/45 war vermutlich die härteste Phase des Krieges an der Westfront. General Montgomerys vereinigte 21. britische und kanadische Heeresgruppe rückte zum Rhein vor und lieferte sich heftige Kämpfe mit den dort verschanzten deutschen Streitkräften. Im Laufe mehrerer Wochen gelang es ihr, durch das tückische Delta zur wichtigen Hafenstadt Antwerpen vorzudringen, wo der dringend benötigte Nachschub angeliefert werden konnte.
Die 1. US-Armee war in den Hürtgenwald eingedrungen, einen Landstrich aus tiefen, bewaldeten Tälern, die mit deutschen Festungen, eingegrabenen Truppen und Minen durchsetzt waren. Im Dezember waren die Bäume tief verschneit, und stellenweise war der Boden so hart gefroren, dass man keine Schützenlöcher ausheben konnte. Das Vorankommen war höchst mühsam. In einem stark bewaldeten Abschnitt kam die Armee in einem Monat nur 3000 Meter vorwärts und verlor dabei 4500 Mann. Die Schlacht am Hürtgenwald, welche die längste in der Geschichte des US-Militärs werden sollte, dauerte vom September 1944 bis zum Februar 1945. Als sie endete, hatte die 1. Armee ein Gebiet von kaum 130 Quadratkilometern erobert.
Weiter im Süden beschoss die 3. US-Armee unter Generalleutnant Patton die stark gesicherte Stadt Metz unweit der französischen Ostgrenze. Die Stadt, die von Befestigungsanlagen und Beobachtungsposten umgeben war, die durch Gräben und Tunnel miteinander verbunden waren, war schon zur Römerzeit eine Zitadelle gewesen und hatte sich als letzte Stadt in der Region den germanischen Stämmen ergeben. Seitdem war sie ein strategisch höchst bedeutender Ort in Westeuropa gewesen, eine Stadt, die zahlreiche Angreifer einzunehmen versucht hatten, von den Kreuzfahrern, die hier im Jahr 1096 ein Massaker an Juden verübten, bis zu den Bourbonen-Königen und zu englischen Banditen. Im Jahr 1870, während des Deutsch-Französischen Krieges, wurde Metz nach einer zweimonatigen Belagerung von den preußischen Truppen eingenommen und gehörte anschließend zum Deutschen Reich. Im Zuge der Friedensverhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg fiel die Stadt wieder an Frankreich zurück, bis die deutschen Besatzungstruppen 1940 einmarschierten. Im November 1944 war die 3. US-Heeresgruppe die nächste Streitmacht in einer langen Reihe von Armeen, die sich anschickten, Metz zu erobern.
Als die Luftangriffe keine Wirkung zeigten,
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