Monuments Men
niemand außerhalb der Museumsgemeinde, wie viel Arbeit nötig war, um das zu ermöglichen.«
»So ist es überall, James. Ich bin sicher, die Milchbauern beklagen sich auch darüber, wie wenig wir darüber wissen, wie schwierig es ist, die Milch auf den Markt zu bringen.«
»Und die amerikanischen Soldaten klagen darüber, wie schwer es ist, Pariser Frauen zu umgarnen und Parfüm zu kaufen. Manche Händler haben sogar angefangen, Geld dafür zu verlangen.«
Jaujard lachte. »Nur ihr Amerikaner könnt über eure Anwesenheit hier Witze machen. Wir Pariser ... wir klagen, aber unsere Erinnerungen an die Besatzung sind noch zu frisch, um euch nicht Wertschätzung entgegenzubringen. Selbst wenn jetzt nichts mehr verschenkt wird.«
Sie plauderten noch eine Weile über die Ausstellung und die Stadt. Sie waren Freunde geworden, verbunden durch die Umstände und durch gegenseitige Achtung. Als Rorimer spürte, dass die Gelegenheit günstig war, sprach er die Kommission an.
»Ich bin froh, dass Sie danach fragen«, entgegnete Jaujard. »Das ist eine Sache, bei der Sie uns helfen könnten.« Er machte eine Pause, als überlege er, wie er die Situation am besten beschreiben solle. »Sie wissen natürlich, dass die Nazis die privaten Sammlungen geplündert haben.«
»Ja, 22 000 Kunstwerke. Wer könnte das vergessen!«
»Oh, das ist womöglich nicht alles. Sie haben überall in Paris und Umgebung geraubt. Alle Herkunftsorte ausfindig zu machen, ist nahezu unmöglich. Warum fangen wir also nicht am Ende an? Bevor sie aus Paris fortgeschafft wurden, hat man alle gestohlenen Kunstwerke an einen bestimmten Ort gebracht, wo sie katalogisiert und verpackt wurden: in den Jeu de Paume hier nebenan. Und wir hatten dort einen Spion sitzen.«
Rorimer spürte, dass er näher an Jaujard heranrückte. Einen Spion? War das der Durchbruch, auf den er gehofft hatte?«
»Und wer war das?«, fragte er.
»Rose Valland.«
Rorimer erinnerte sich an die Verantwortliche im Jeu de Paume, die er vor knapp zwei Monaten in Jaujards Büro kennengelernt hatte. Er hatte sie seitdem noch einige Male gesehen, aber das Erste, was ihm wieder einfiel, war ihre triste Kleidung, ihre schmale Nickelbrille und ihr großmütterlicher Haarknoten. Das Wort »Matrone« kam ihm abermals in den Sinn.
Sie vermittelte den Eindruck eines harmlosen älteren Fräuleins. Aber dennoch ... Er war immer überzeugt gewesen, dass noch etwas mehr hinter ihr steckte. Und das lag nicht nur am Feuer und der Intelligenz, die ihre Augen versprühten. Oder daran, dass er allmählich erkannt hätte, welch wichtige Rolle sie in Jaujards Welt spielte. Das wurde ihm erst jetzt klar. Bei allen ihren Begegnungen war sie ihm so unergründlich erschienen wie bei ihrer ersten Begegnung. Sie redete nicht viel und gab nie etwas von Belang preis. Sie scheute sich nicht, seine Annahmen infrage zu stellen, häufig mit einem Schuss trockenen Sarkasmus, aber niemals auf eine Art, die ihn dazu brachte, später nochmals darauf zurückzukommen. Er konnte sich überhaupt nicht an viel von dem erinnern, was sie gesagt hatte; allein schon das hätte ihn, wie er jetzt erkannte, argwöhnisch machen sollen. Gerade weil sie eine so altmodische, unscheinbare Museumsangestellte war, war sie auch noch etwas mehr. Sie war die ideale Spionin.
Jaujard lächelte. »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass sie eine Heldin ist, aber Sie haben es nicht verstanden. Niemand versteht das. Rose Valland ist nicht jung oder besonders attraktiv, aber diese beiden Eigenschaften sind ihr bei ihren Aufgaben sehr zugute gekommen. Sie ist eine Frau in mittleren Jahren. Schlicht im Auftreten. Eine Frau, die man sofort wieder vergisst. Was tun Sie, James?«
»Mittelalt, schlichtes Auftreten ...«, wiederholte Rorimer, während er sich auf einem abgerissenen Stück einer Zeitung ein paar Notizen machte.
»Selbstsicher. Unabhängig«, fuhr Jaujard fort. »Sie setzt nicht auf ihren weiblichen Charme, ist aber so wenig auszurechnen wie eine Katze in einem Katz-und-Maus-Spiel ... wenn die Katze einen davon überzeugen kann, dass sie die Maus ist. Zeigt aber durchaus Sinn für Humor, wenn man sie näher kennt. Sie seufzt, bevor sie spricht, mit einer gewissen weibliche Geziertheit, doch sie ist immer fröhlich. Sie hat einen starken Willen, wollte sozusagen schon immer ihren eigenen Koffer tragen, ganz gleich, wie schwer er ist. Was haben wir noch? Sensibel, unerschütterlich, gewissenhaft ... Reicht das?«
Rorimer blickte von seinen Notizen
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