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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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verborgen lag.
    Der Gedanke daran zwang ihn, die Wagentür zu öffnen, so wie er ihn gezwungen hatte, über die einsamen
    Landstraßen hierher zu fahren. Unterwegs war er davon überzeugt gewesen, daß ihm ein Wagen folgte - vermutlich ein Streifenwagen, denn er nahm an, daß er mittlerweile Tag und Nacht beschattet wurde - die Lichter des Fahrzeugs waren jedoch bald verschwunden. Wahrscheinlich war der andere Fahrer irgendwo abgebogen. Vielleicht litt er, Childes, mittlerweile aber auch an Verfolgungswahn; zu verdenken wäre es ihm jedenfalls nicht.
    Die Nacht war für diese Jahreszeit viel zu kalt; frostige Luft wehte vom Meer landeinwärts und bannte die Hitze des Tages. Sweater und Cordhose konnten nicht verhindern, daß ihm ein unangenehmer Schauer über den Rücken kroch. Er schlug den Jackenkragen hoch und schloß die Aufschläge am Hals. Der Vollmond stand hell und klar am Nachthimmel; es gab keine Wolken, die ihn hätten verschleiern können. Die fahle Helligkeit überzog die Landschaft mit einem bleichen Schimmer und verwandelte sie in etwas eigenartig Flaches, während die Schatten tief und bedrohlich dunkel waren. Der Himmel selbst war von dieser ungeheuren Hängelampe so erhellt, daß die Millionen Sterne nur außerhalb der weitreichenden Aura des Mondes zu sehen waren. Childes näherte sich dem Staudamm, und in diesen Sekunden schien es, als wäre die gesamte Landschaft unter dem unheimlichen Glanz erstarrt.
    Seine Sinne waren hellwach und angespannt, seine Blicke suchten die Gegend unablässig ab. Er war sich nur zu gut darüber im klaren, wie perfekt jemand, der sich reglos verhielt, mit dieser Umgebung verschmelzen konnte - es war so dunkel an manchen Stellen. Woanders ragten bizarre Gebilde empor. Hier konnte ein einzelner Busch ein geduckt lauerndes Tier sein, da ein
    Baumstumpf mit weit von sich gestrecktem Wurzelwerk ein am Boden sitzender Mensch. Die Baumgruppe links von ihm mochte eine lauernde Gestalt verbergen, und das Unterholz vor ihm konnte einer geduldig abwartenden Bestie Unterschlupf bieten.
    Er lauschte in sich hinein: war er enttäuscht, daß er nicht verfolgt worden war? Hätte er sich wohler in seiner Haut gefühlt, wenn es da einen Streifenwagen gegeben hätte? Möglich. Und vielleicht wäre es wirklich klüger gewesen, Robillard anzurufen, bevor er das Haus verließ. Aber andererseits - wie hätte er dem Inspector, der, gelinde ausgedrückt, mehr als nur skeptisch war, klarmachen sollen, daß sein Verstand an diesem Abend endlich mit jenem anderen Verstand verschmolzen war? Und daß die Verschmelzung vollständig und daß er in der Offensive war - er forschte und wühlte im Geist des anderen, und hatte dieses Andere, dieses Etwas, überrascht. Und dann hatte es ihn absorbiert.
    Es hatte ihn absorbiert!
    Den stummen, qualvollen geistigen Kampf zu erklären, der daraufhin folgte - das war unmöglich; diese Horrorvisionen, mit denen ihn das Wesen verhöhnte... Bilder des Grauens... vor ihm ausgebreitet wie der Rohschnitt eines Films... Bilder vom Tod, und nur vom Tod, und mit jedem einzelnen Bild Gefühle und Gerüche -und Schmerzen und Angst... eine unbarmherzige Wiedergabe der tatsächlichen Ereignisse, eine neue, bizarre Dimension der Cinematographie. 4-D. Alles in wahlloser Reihenfolge. Ein Chaos.
    Der schwache Protest des alten Mannes gegen das Sägeblatt, das sich in seine Stirn hineinfraß...
    Jeanettes unendliche Panik, als sie über die Treppe baumelte, an einer Krawatte aufgehängt, von einer
    Krawatte gewürgt... In dieser Zeit war sie tausend Tode gestorben, was bedeutete es da schon, daß sie letzten Endes gerettet worden war?
    Die Prostituierte... zerfetzte Eingeweide - damals, damals, als alles angefangen hatte, als Childes noch nicht gewußt hatte, daß dies die erste Vision einer ganzen Flut makaber Visionen war - die Rückkehr des alten Alptraums.
    Kellys verkohlte Klauenhand.
    Die Schule, hell erleuchtet von Flammen, die es in Wirklichkeit noch gar nicht gab.
    Der tote Junge, geschändet und aufgerissen, seine verwesenden Organe rings um das Grab herum im Gras ausgebreitet.
    Annabel. Die arme, kleine Annabel, irrtümlich für Gabby gehalten; und das Päckchen mit den abgetrennten Fingern.
    Und dann wurde er zum ersten Mal Zeuge von Estelle Piprellys entsetzlichem Tod; er sah, wie sie hilflos am Boden lag, den Hals gebrochen, sah, wie die Feuerspur auf sie zuraste...
    Und diesen makabren Durchlauf sollte er einem pragmatischen, wenn nicht gar dogmatischen

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