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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Kraft für dieses Unternehmen verliehen. Er setzte dem, was er unterbewußt längst kannte, bewußt aber so viele Jahre von sich gewiesen hatte, keinen Widerstand mehr entgegen, und dieses persönliche Anerkennen stachelte seine Sinne an und gab seiner rätselhaften Fähigkeit zusätzliche Kraft.
    Er hatte sich an andere Male erinnert, wo er die knappen Schlaglichter seines Bewußtseins stets als Zufall abgetan hatte. O ja, er hatte diese parapsychologischen Ströme unterdrückt - selbst die Erinnerungen an Vorfälle, die eindeutig davon gekennzeichnet waren, hatte er bis jetzt immer wieder zurückgedrängt.
    Er hatte sich an seine Kindheit erinnert, und an einen Freund aus jenen Kindertagen... und an das jähe Wissen, daß dieser Freund sterben würde; überfahren von einem Mann, der Fahrerflucht begehen würde. Wochen später war der Unfall tatsächlich passiert. Ein Onkel, den er nur selten zu sehen bekommen hatte: Er wußte plötzlich, daß er krank war, daß sein Herz bald stehenbleiben würde, einfach so. Nur wenige Monate später war dieser Onkel an einer Koronarsklerose gestorben. Und er hatte den Tod seiner Mutter vorhergesehen, lange bevor der Krebs ihren Körper zerfressen hatte.
    Sein Vater hatte ihn für diese Enthüllung unbarmherzig geschlagen, genauso wie er ihn nach dem Tod seiner
    Mutter geschlagen hatte, immer wieder, voller Verbitterung, voller Zorn und voller Schuldgefühle. Und er hatte ihn geschlagen, als der Geist seiner Mutter zu ihm, dem Jungen, gekommen war... Oh, Childes erinnerte sich genau. Sein Vater hatte ihn für den Tod seiner Mutter verantwortlich gemacht - war davon überzeugt gewesen, daß er ihren Tod verursacht hatte, ihr schreckliches Ende in Gang gesetzt hatte durch seine Vorhersehung. Und dafür hatte er ihn bestraft, immer wieder, so schlimm, daß er ihm das Nasenbein und drei Rippen brach... Und danach hatte er ihn durch Drohungen und durch Appelle an seine Loyalität gezwungen, den Fahrern des Krankenwagens und den behandelnden Ärzten zu bestätigen, der Verlust seiner Mutter habe ihn so bekümmert, daß er zu Hause die Treppe hinuntergefallen sei.
    Doch am allerschlimmsten: In den fiebernden Tagen nach dem Tod seiner Mutter hatte der Junge gelernt, die Gründe seines Vaters für seine grausamen Prügelstrafen zu akzeptieren; er hatte gelernt, selbst zu glauben, daß er durch seine Vorahnung am Tod seiner Mutter schuldig war... Diese Vorahnungen waren wie ein böser Fluch. Und mit dieser Erkenntnis war auch der Glaube daran entstanden, daß er für den Unfall seines Freundes ebenso verantwortlich war und daß er die Krankheit im Herzen seines Onkels entfacht hatte.
    Diese Schuld war größer gewesen als alle Schmerzen, die ihm sein Vater zugefügt hatte, größer als der Schmerz der gebrochenen Knochen und der Quetschungen und Blutergüsse; dieser Schmerz hatte alles überwogen. Und als das Fieber, Ergebnis unüberwindbarer Schuldgefühle und übermächtiger Reue, endlich gesunken war, hatte sein Verstand eine Schutzmauer errichtet. Er hatte seine psychischen Fähigkeiten zusammen mit dem Schuldbewußtsein dahinter verborgen, denn die psychische Macht und das Schuldbewußtsein waren eins, sie gingen Hand in Hand.
    Die Kindermorde vor drei Jahren hatten die Barriere in Childes' Geist gelockert, hatten auf rätselhafte Weise den Prozeß des Ahnens wieder in Gang gesetzt.
    Jetzt war dieser neue Mörder durch die geistige Mauer gebrochen und hatte ein vages Tröpfeln in einen unbeständigen Strom verwandelt.
    Mehr noch: Sein eigenes Unterbewußtsein hatte ihn, den Erwachsenen Childes, ermutigt, in seine Vergangenheit hinabzutauchen, hatte ihn dorthin zurückgeschickt und zum Zeugen am Elend seiner Kindheit gemacht; ein lange unterdrückter - und sorgsam gehüteter - Teil seiner selbst sehnte sich nach Antworten. Und die Kraft des Jungen war so stark, daß er seinerseits Zeuge wurde, wie sein älteres Ich zu ihm zurückkehrte. Er selbst war die Erscheinung gewesen, die der Junge über sich, in einer Zimmerecke, gesehen hatte.
    Diese eine Antwort forderte neue Fragen heraus und brachte neue Rätsel; möglich, daß sie niemals enthüllt wurden, möglich, daß es Geheimnisse waren wie das Leben und der Geist selbst.
    Alle diese Gedanken durchströmten ihn, als er dort oben auf dem Staudamm wartete, und diese Gedanken riefen eine quälende und doch wachsame Heiterkeit hervor, als stehe er auf einer Art sensorischen Schwelle. Er legte den Kopf in den Nacken und starrte nach oben,

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