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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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verschwunden.
    »Für sie«, entgegnete sie mit diesem leisen, geschlechtslosen Krächzen und hob das Gesicht dem Mond entgegen. »Für meine Herrin.«
    Ihr Mund klaffte weit auf, und er sah krumme, morsche Zähne. Sie atmete tief ein (selbst das hierbei entstehende Geräusch war rauh und krächzend), als wolle sie das Mondlicht selbst inhalieren, und als sie den Kopf wieder senkte, spiegelte sich der Mond für einen flüchtigen, zermürbenden Sekundenbruchteil in diesen dunklen, grausamen Augen, und es war, als komme das Leuchten von innen, als sei der Mond in ihr und fülle ihren Körper aus - als seien die Augen nur Fenster. Es war nur Einbildung, sagte er sich, doch die Vision dauerte an.
    »Sag mir... sag mir, wer du bist«, verlangte Childes keuchend; er war sich seines eigenen Verstandes nicht mehr sicher.
    Die unförmige Frau betrachtete ihn lange, bevor sie wieder sprach: und jetzt war das Glühen in ihren Augen verschwunden - und von einem neuen Glanz ersetzt. »Weißt du das denn nicht?« sagte sie gemächlich -jedoch nicht mehr so langsam wie zuvor. »Hast du denn gar nichts von mir in Erfahrung gebracht? Ich habe so viel von dir bekommen, mein Liebling.«
    Seine Kraft kehrte zurück; er mußte sich nicht mehr ganz so schwer gegen die Brüstung lehnen. »Ich weiß nicht, was du damit meinst«, brachte er heraus und gab sich Mühe, gelassen zu wirken; aber das unkontrollierbare Zittern in seinen Beinen blieb. Sie ist nur eine Frau, sagte er sich. Kein es. Nur eine Frau! - Aber eine Psychopathin, flüsterte eine leise, glucksende Stimme in diese Gedanken hinein. Eine unglaublich starke Psychopathin, höhnte sie. Und sie weiß, daß du dir vor Angst am liebsten in die Hosen scheißen würdest, mein Liebling!
    »Ich habe das Mädchen weggeholt.« Die Frau kicherte. In einer direkten Reaktion auf Childes' Stimmung hatte sich ihre Stimme erneut verändert. Es schien, als seien seine Sinne integraler Bestandteil der ihren.
    »Nicht dein Kind...« sagte sie hinterhältig. »- leider. Ah, wie die liebe Kleine gezappelt hat, wie sie sich gewunden hat.«
    Zorn rührte sich in ihm wie eine winzige Flamme, entzündet in der Finsternis seiner Angst. Die Flamme wuchs, drängte einen Teil der Dunkelheit zurück.
    »Du... hast... Annabel... umgebracht«, stellte er tonlos fest.
    »Und die anderen.« Ihre Stimme war ein dunkles Knurren - ein gutmütiges Knurren. »Vergiß die anderen nicht. Auch diese Mädchen waren für meine Herrin bestimmt.«
    Ein Windhauch fegte über den Damm, stärker als zuvor, und kälter. Childes zerrte an seinem hochgeschlagenen Jackenkragen. Der Wind trug den Salzgeruch des Meeres mit sich.
    »Du hast sie ermordet«, sagte er.
    »Das Feuer hat sie ermordet, Liebling. Sie und die Frau, die mich aufhalten wollte. Das Feuer hat auch die armen Irren in der Klinik ermordet. Oh, wie es mir dort gefiel!« Ihre mächtige Körpermasse schob sich näher und näher, und dann beugte sie den Kopf verschwörerisch vor, und das silbrige Licht umgab die verfilzten Haarsträhnen wie einen Heiligenschein. Ihre Augen hatten sich wieder zu schwarzen Schächten verdunkelt. »Oh, wie es mir dort gefiel«, wiederholte sie mit einem Flüstern. »Meine Zuflucht. Niemand glaubte diesen Wahnsinnigen, ihrem wimmernden Geschwätz. Kein Mensch, der seine Sinne beieinander hatte, konnte ihnen glauben, denn was habe ich alles mit ihnen angestellt, wenn ich sie allein erwischte! Und wer sollte die Verrückten schon ernst nehmen? Solchen Spaß hat es gemacht, es war ein solcher Genuß! Zu schade nur, daß ich damit aufhören mußte, aber du warst mir auf der Spur, nicht wahr, mein Liebling? Und du hättest mich verraten. Das hat meine Herrin sehr böse gemacht.«
    Jetzt ruhte nur noch Childes' linke Hand auf dem Betonsims. »Ich verstehe noch immer nicht. Welche Herrin?«
    Sie schielte ihn an - wenigstens war er der Meinung, daß es sich dabei um eine groteske Abart des Schielens handelte. »Weißt du das wirklich nicht? Hast du ihre göttliche Kraft in dir nicht gespürt? Die Macht der Mondgöttin, die mit dem Zyklus des Mondes zu- und abnimmt. Spürst du ihre Kraft nicht in unserem Verstand? Du hast die Gabe auch, mein Liebling, begreifst du das denn nicht?«
    »Die Vision...?«
    Sie wurde ungeduldig, und ihre Verärgerung durchtränkte seine Sinne. »Ganz gleich, wie du es nennst, es spielt keine Rolle, nichts davon spielt eine Rolle. Wenn wir diese Gabe teilen, wenn unser Geist eins ist - wie jetzt! -, dann ist ihre Kraft so

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