Moon
hinabgesenkt wurde, taumelte eine Frau nach vorn, als wolle sie diese letzte Störung ihres toten Kindes verbieten. Ein Mann an ihrer Seite hielt sie fest, stützte sie, als sie zusammensackte. Andere in der Gruppe der Anwesenden senkten den Kopf oder schauten weg, denn die Qual der Mutter war so unerträglich wie der vorzeitige Tod selbst. Hände wurden vors Gesicht gehoben, Taschentücher an Wangen getupft. Die Gesichtszüge der Menschen waren starr, wie bleiche Plastikformen.
Es sah aus seinem Versteck heraus zu und lächelte in sich hinein.
Der kleine Sarg war jetzt nicht mehr zu sehen, war vom naßkalten Erdboden verschluckt; dieses große Loch... dieser grüne Saum. Der Vater warf etwas auf den Sarg hinunter, einen grellbunten Gegenstand - ein Spielzeug, eine Puppe, irgend etwas, das dem Kind einmal viel bedeutet hatte. Dann wurde Erde in das Grab hinab gestreut.
Widerstrebend, jedoch insgeheim mit Erleichterung, entfernte sich die Gruppe der Trauernden. Die Mutter mußte sanft geführt werden, zwischen zwei anderen gestützt, und sie sah immer wieder zurück, immer wieder, als werde sie von dem toten Kind gerufen, angefleht, es nicht zurückzulassen, einsam und kalt und faulend. Der Kummer überwältigte sie; man mußte sie zu den Wagen tragen.
Die Gestalt unter dem Baum blieb und sah zu, wie das Grab zugeschaufelt wurde.
Und wußte, daß sie in dieser Nacht zurückkehren würde.
»Danke, Helen, ich glaube, Sie können jetzt abräumen.« Vivienne Sebire stellte mit offenkundiger Zufriedenheit fest, daß die Mahlzeit, die sie nachmittags so sorgfältig und liebevoll vorbereitet hatte, Lachs-Mousse, gefolgt von junger Ente mit Apfel und Kirsch, serviert mit mange-touts und Brokkoli, daß diese Mahlzeit mit Genuß und vielstimmigem Lob verzehrt worden war. Allerdings bemerkte sie auch, daß Jonathan Childes nicht so herzhaft zugegriffen hatte wie ihre anderen Gäste.
Grace Duxbury, die recht dicht beim Gastgeber, Paul Sebire, saß, der seinerseits das Kopfende der Tafel (seinen angestammten Platz) innehatte, trällerte: »Wunderbar, Vivienne. Aber bevor ich heute abend das Haus verlasse, muß ich das Geheimnis dieser Mousse kennen!«
»Ja«, pflichtete ihr Mann bei. »Ausgezeichneter erster Gang. Ach, übrigens, Grace - wie kommt es eigentlich, daß du dich so selten über Avocados mit Garnelen hinauswagst, außer, wenn wir gerade die Lieferanten dahaben?«
Wie ich Grace kenne, eine Bemerkung, die er später heimgezahlt bekommt, dachte Vivienne und lächelte sie beide an. »Ach, das Geheimnis liegt einfach darin, wieviel Anchovis-Sauce zugegeben wird. Ein wenig mehr als empfohlen, aber nicht zuviel.«
»Köstlich«, bekräftigte George Duxbury erneut.
Helen, eine kleine, leicht stämmige Frau mit einem fröhlichen Lächeln und Augenbrauen, die über ihrer Nasenwurzel zusammenzuwachsen drohten, war Haushälterin und Dienstmädchen der Sebires und sammelte jetzt die Teller ein, während ihre Herrin sich auf weiteres Lob einstellte.
Amy, die schräg gegenüber von Childes plaziert worden war, erhob sich von ihrem Platz. »Warte, ich helfe dir«, rief sie Helen zu, sah Childes dabei tief in die Augen und lächelte ihn an.
»Ich wüßte nur zu gern, Paul, wie es ein Taugenichts wie du fertiggebracht hat, eine so brillante Köchin zur Frau und ein so absolut reizendes Mädchen zur Tochter zu bekommen!« Der gutmütige Scherz wurde von Victor Platnauer gemacht, einem Conseiller der Insel, und Vorstandsmitglied des La Roche Mädchen-College. Seine Frau Tilly, die neben Childes saß, machte vorwurfsvoll »Pst!«, obwohl sie sich gestattete, am Gekicher der anderen Gäste teilzunehmen.
»Das ist ganz einfach zu beantworten, Victor«, erwiderte Sebire schlagfertig. »Es war das kulinarische Können meiner lieben Frau, das mich verführt hat, sie zu heiraten, und meine Gene waren es, die unsere schöne Aimee hervorbrachten.« Er bestand immer darauf, seine Tochter mit ihrem korrekten Namen anzureden.
»Nein, nein«, beharrte Platnauer. »Amy hat ihr Aussehen von ihrer Mutter geerbt, nicht vom Vater. Ist es nicht so, Mr. Childes - äh, Jonathan?«
»Sie hat die schöneren Eigenschaften beider Eltern«, erwiderte Childes diplomatisch und tupfte sich mit einer Serviette die Lippen.
Eins zu null, dachte Amy auf halbem Weg in die Küche; und da klatschte auch schon jemand und rief: »Bravo!« So weit, so gut. Ihr war sehr wohl aufgefallen, wie ihr Vater Jon die ganze Zeit über gemustert hatte, sie kannte diese
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