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Moon

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Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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berechnende Taxierung so gut - sie war normalerweise eventuellen Kunden, Kollegen oder Rivalen vorbehalten. Dennoch hatte er den perfekten Gastgeber gespielt; er war seinen Gästen gegenüber höflich und angemessen wißbegierig gewesen, und er hatte Jon genausoviel Aufmerksamkeit geschenkt wie allen anderen, einen Geschäftspartner aus Marseille eingeschlossen.
    Allerdings vermutete Amy, daß Edouard Vigiers nicht nur deshalb eingeladen worden war, weil er sich diese Woche zufällig auf der Insel aufhielt, um gewisse finanzielle Arrangements zu erörtern, sondern weil er jung und erfolgreich und dennoch weiterhin ehrgeizig war - und weil er sehr akzeptabel aussah. In Paul Sebires Augen also ein idealer Schwiegersohn. Unwillkürlich fragte sie sich, ob ihr Vater Jon nicht nur aus dem einen Motiv heraus eingeladen hatte, daß sie, Amy, einen direkten Vergleich zwischen den beiden - zwischen Edouard und Jon - ziehen konnte. Der Kontrast war tatsächlich unbestreitbar.
    Sie mußte zugeben, daß der Franzose sowohl attraktiv als auch klug und amüsant war, aber ihr Vater irrte sich, wie meist, wenn er nach so offensichtlichen und oberflächlichen Begriffen urteilte. Sie kannte Paul Sebire als freundlichen Menschen mit großzügigem Herzen, trotz seiner eisernen Rücksichtslosigkeit in Geschäftsangelegenheiten, und trotz seines stacheligen Wesens in ganz bestimmten Dingen - und sie liebte ihn, wie eine Tochter ihren Vater nur lieben konnte. Leider schrieb ihm sein ihm selbst verborgen gebliebener Besitzerstolz gewisse Regeln vor, unter anderem diese: wenn er seine Tochter schon an einen anderen Mann verlieren mußte, dann wenigstens an einen, der seiner Vorstellung entsprach, an jemanden seines Schlages - wenn nicht gar an eine jüngere Version seiner selbst. Es war eine offensichtliche ungeschickte Masche, obwohl ihr Vater sie wahrscheinlich für subtil hielt, da er andere wie üblich unterschätzte, besonders sein einziges Kind.
    Amy dachte verträumt an ihr Mittagessen mit Jon zurück, vor ein paar Tagen, ihr erstes Beisammensein allein in seinem kleinen Haus, nachdem sie gemerkt hatten, wie tief ihre Beziehung geworden war, wie viel mehr jedem von ihnen am andern gelegen war - viel mehr, als sie bisher selbst begriffen hatten. An jenem Tag war wenig Zeit geblieben für Vertraulichkeiten, aber ihre Berührungen und ihr Streicheln waren von einer neuen Kraft, einer ganz neuen Zärtlichkeit bestimmt gewesen.
    »Ich hätte die Teller gern hier bei mir, Miss Amy, wenn Sie dann damit fertig sind, an der Tür zu horchen.« Helens amüsierte Stimme unterbrach ihre Tagträumerei. Sie stand am Spülbecken, eine Hand zur Faust geballt und in die Hüfte gestemmt.
    »Oh.« Amy lächelte und hatte das Gefühl, daß es ein ziemlich einfältiges Lächeln geworden war. Sie trug die Teller zur Spüle hinüber. »Ich hab' nicht gelauscht, Helen, nur vor mich hin geträumt. War nur ein bißchen abwesend.«
    Draußen beugte sich derweil Victor Platnauer über den Tisch und blinzelte Childes zu. Mit Anfang Sechzig war Platnauer noch immer ein gut gebauter Bursche mit auffallend rotem Gesicht und großen Händen, was vielen einheimischen Inselbewohnern gemeinsam war. Es war ein eigenartiger Ton in seiner Stimme, etwas GutmütigDerbes; etwas, das ganz zu seiner Art paßte. Im Gegensatz zu ihm war seine Frau Tilly unscheinbar, leise, fast zurückhaltend und in Auftreten und Verhalten Vivienne Sebire ähnlich.
    »Hat mich gefreut, daß Sie dem La Roche ein bißchen mehr von Ihrer Zeit opfern«, sagte Platnauer.
    »Nur einen zusätzlichen Nachmittag«, stellte Childes klar. »Ich habe letzte Woche zugestimmt.«
    »Klar, das hat mich Miss Piprelly wissen lassen. Nun, das ist eine gute Nachricht, und vielleicht können wir Sie ja rumkriegen, und Sie verbringen noch mehr Zeit am College. Weiß schon, daß Sie auch am Kingsley und de Montfort unterrichten, aber wir halten es für wichtig, daß wir diesen speziellen Bereich in unserem Lehrplan ausweiten. Das ist nicht nur eine Forderung der Eltern -nein, nein -, mir wurde zugetragen, daß auch die Schülerinnen einen ganz besonderen Eifer für Computerwissenschaft an den Tag gelegt haben.«
    »Das trifft leider nicht auf sie alle zu«, schränkte Chil-des ein. »Die Kinder, meine ich. Ich glaube, wir halten uns selbst zum Narren, wenn wir uns einreden, daß jedes Kind eine natürliche Begabung für logisches Denken und die Arbeit am Computer hat.«
    Tilly Platnauer schaute ihn überrascht an. »Und

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