Moonlit Nights
die Sache mit einer Handbewegung ab. »Nichts
Besonderes.«
Die ersten vier Stunden zogen sich wie Kaugummi. Ich
schmunzelte über mich selbst. Eigentlich hasste ich Mathe und
nun konnte ich die nächste Mathestunde kaum abwarten?
Immer wieder starrte ich verträumt in Liams Richtung. Ich war
also verliebt. Ich war froh, endlich eine Erklärung für die
widersprüchlichen Gefühle in seiner Nähe zu haben. Die
Schulglocke ertönte und Mr Morrison betrat die Klasse. Er schien
nicht weniger aufgeregt zu sein als ich und strahlte über das ganze
Gesicht, als er Liam sah, der bereits seine Vorbereitungen an die
Tafel zeichnete.
»Sehr schön, Mr Hunter!«, lobte er und stellte sich in die hinterste
Ecke des Klassezimmers.
Gebannt sah ich zu Liam hinüber, der mich aufmunternd
anlächelte und eine Grimasse über die Bemerkung von Mr
Morrison schnitt. Ich lächelte zurück, dann begann Liam mit
seinem Vortrag. Konnten wir Mr Morrison nicht für immer gegen
Liam eintauschen? Das würde doch bestimmt niemanden stören.
Wer schaute schließlich nicht lieber einen jungen, attraktiven
Mann an, anstatt unseres eigentlichen dicken, glupschäugigen
Mathelehrers. Ich hing an Liams Lippen und lauschte jedem
einzelnen seiner Worte. Von der Tafel hatte ich schon alles
abgeschrieben – ungewöhnlich für mich, da ich sonst immer eine
der Letzten war, die sich überhaupt dazu aufrafften. Ich hatte
sogar versucht, Liams geschwungene Handschrift zu imitieren,
was mir aber nicht wirklich gelang.
Wahllos kritzelte ich auf meinem Block herum. Ich begann, mit
dem Bleistift kleine Zeichnungen von Liam zu machen. Im
Vergleich zu Liam selbst waren diese natürlich mehr als
jämmerlich, doch man konnte erkennen, wer es sein sollte.
Daneben malte ich noch jemanden ... Ein Mädchen mit langen
Haaren. Bei dem Mädchen hatte ich eigentlich nur so
drauflosgemalt, doch es war nicht schwierig zu wissen, dass ich
mich selbst gemalt hatte. Ich bekam einen Schreck. Die
Zeichnungen sahen Liam und mir wirklich ähnlich. Zu ähnlich!
Schnell zerknüllte ich die verräterische Seite und verstaute sie fein
säuberlich in der untersten Ecke meiner Schultasche. Nicht
auszudenken, wie peinlich es wäre, wenn sie jemand finden
würde!
Wieder machte sich meine Hand selbstständig. Diesmal schrieb
sie in meiner allerschönsten Handschrift »Mrs Hunter« auf ein
leeres Blatt und malte ein Wölkchen außen herum.
Ich wusste nicht, wieso ich so etwas schrieb. Ich wusste nur, dass
es gar nicht so schlecht aussah und ich mich durchaus daran
gewöhnen könnte.
Gedankenverloren starrte ich immer noch auf Liam, der fast am
Ende seines Reports zu sein schien. Wie schade! Ich wusste gar
nicht, dass Mathestunden so schnell enden konnten.
Plötzlich griff eine Hand an meine rechte Schulter. Erschrocken
zuckte ich zusammen und drehte mich um. Oh oh! Mr Morrison
stand hinter mir und blickte mitleidig auf mich herab.
»Mrs Forsyth ... Ich dachte, wenn ich Ihnen einen gut
aussehenden Referendar vor die Nase setze, würden Sie uns
wenigstens etwas von ihrer Aufmerksamkeit schenken.«
»Ich ... ich hab’ aufgepasst«, stotterte ich verschämt.
»Für mich sah es eher so aus, als hätten Sie gemalt.« Mr Morrison
beugte sich vor und versuchte, einen Blick auf meinen Block zu
werfen. Schnell schob ich den Ärmel über meine Kritzelei. »Nein,
das sind nur meine… äh ... Unterrichtsnotizen«, antwortete ich.
»Dann haben Sie ja sicher nichts dagegen, wenn ich mir Ihre
Notizen einmal ansehe.«
Mr Morrison griff nach meinem Block. Mein Arm blockierte.
Unmöglich, dass irgendetwas, was weniger schwer war als eine
Dampfwalze, ihn jemals hätte wegbewegen können.
Entrüstet zog Mr Morrison die Augenbrauen hoch.
»Sie möchten mir Ihre Notizen nicht geben?« Im ersten Moment
schien er mehr überrascht als ärgerlich. Ich schüttelte wortlos den
Kopf. »Ich verlange, dass Sie sie mir augenblicklich
aushändigen!« Nun war Mr Morrisons Zorn in der Stimme nicht
mehr zu überhören. Ich schluckte laut und rechnete mir meine
Chancen aus, wenn ich mich weiterhin widersetzen würde. Ich
musste kein Mathegenie sein, um festzustellen, dass das Ganze
wenig rosig aussah. Und wenn ich aufsprang, mir meinen Block
schnappte und wild schreiend aus der Klasse rannte? Hmm … bei
meinem Glück würde ich vermutlich nach zwei Metern der Länge
nach hinschlagen und mir irgendetwas brechen. Das war also
keine gute Idee. Langsam zog ich meinen Arm
Weitere Kostenlose Bücher