Moonlit Nights
die Sticheleien und
zwang uns ruhig zu sein und Liams Schlussworten zu folgen. In
ein paar Minuten würde es klingeln. Ich machte mich bereit.
Sowie die Schulglocke ertönte, würde ich aufspringen und nach
Hause laufen. Dieser Schmach würde ich mich nicht aussetzen.
Bevor ich meine Flucht zu Ende geplant hatte, klingelte es.
Schnell klaubte ich mein Zeug vom Tisch und rannte förmlich
Richtung Ausgang.
»Emma?« Es war Liam, der gerufen hatte, doch ich ignorierte ihn.
Was sollte ich auch zu ihm sagen? Wie sollte ich »Mrs Hunter«
erklären, ohne mich dabei nicht völlig lächerlich zu machen? Ich
wusste ja nicht einmal selbst, warum ich so doof war und diese
Worte auf meinen Block geschrieben hatte. In Sekundenschnelle
versuchte ich mir eine Ausrede parat zu legen, um doch mit Liam
zusammen gehen zu können, doch mir fiel leider nichts ein. Alle
Ausflüchte, die ich mir erdacht hatte, endeten in einer einzigen
Peinlichkeit, also tat ich so, als hätte ich Liam nicht gehört und
ging schnellen Schrittes Richtung Heimat. Ich hörte noch, wie
Amilia sich an Liam ranschmiss und ihm lauter Komplimente
über seinen Vortrag machte, doch zu meiner Überraschung ließ
Liam sie einfach stehen.
»Mensch Emma, warum hast du’ s denn in letzter Zeit ständig so
eilig nach Hause zu kommen?« Liam hatte meinen hart
erkämpften Vorsprung mit ein paar geschmeidigen Sätzen
mühelos zunichtegemacht und schaute mich an, während ich
weiter geradeaus ging und stur auf die Straße glotzte.
Er zog mir meine Schultasche vom Arm und schwang sie locker
über seine Schulter. »Danke«, murmelte ich. »Erst muss man dich
fast voranschieben und nun sprintest du nach Hause, als würdest
du für den nächsten Marathontrainieren.« Liam lächelte mich
verschmitzt an und wartete auf eine Reaktion seiner Fopperei –
unter gewöhnlichen Umständen hätte ich ihm verbal sofort eine
verpasst, doch ich schämte mich immer noch zu Tode und wusste
nicht, was ich sagen sollte, also sagte ich lieber gar nichts. Im
Gegenteil, ich wartete auf die unangenehmen Fragen, die er mir
stellen würde. Ich hörte sie schon: Emma? Warum schreibst du
Mrs Hunter auf deinen Block? Das ist doch mein Nachname …
Unsicher schaute ich zu ihm herauf. Liam beobachtete mich
immer noch. In seinen Augen lag ein Ausdruck, der so viel
Wärme und Behaglichkeit ausstrahlte, dass es einem unmöglich
war, sich nicht wohlzufühlen. Ich wandte meinen Blick ab. Ich
wusste, ich konnte ihm besser Rede und Antwort stehen, wenn ich
ihn dabei nicht anschaute. Na los, sagte ich zu mir. Frag schon,
damit wir es endlich hinter uns haben. Doch zu meiner völligen
Verwunderung sagte Liam gar nichts. Zumindest nichts zu dem
Thema, dass ich befürchtet hatte und ich war mehr als dankbar
dafür. Ich beschloss ebenfalls nichts dazu zu sagen, solange Liam
es nicht tat.
»Warum warst du gestern nicht im Laden?«, fragte er mich.
Überrascht sah ich ihn an. Er hatte wohl wirklich nicht vor, mich
nach meinen »Mathe-Notizen« zu fragen. Wozu auch? Er kannte
die Antwort mit Sicherheit sowieso schon und war wahrscheinlich
genervt von meinem kindlichen Gehabe. Vielleicht wollte er mich
auch nur nicht in Verlegenheit bringen – ganz Gentleman, wie er
war.
»Ich … ähm …« Mit dieser Frage hatte ich nun wirklich nicht
gerechnet. Also brauchte ich einige Zeit, bis ich eine klare,
plausible Antwort geformt hatte. »Ich musste meiner Mutter im
Haushalt helfen.« Plausibel? Na ja, es hörte sich eher wie eine
Ausrede an, aber wenigstens hatte ich einen Grund genannt, und
so, wie ich Liam kannte, würde er mich nicht in die Bredouille
bringen, indem er weiter nachbohrte. Ich war mir ziemlich sicher,
dass er meine kleine Lüge bemerkt hatte, doch er war einfach zu
höflich, um mich damit zu konfrontieren. »Ahh«, sagte er schlicht
und ließ das Thema fallen.
Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her, bis ich es
nicht mehr aushielt.
»Liam?«
»Ja?«
»Sag’ mal, warum warst du gestern eigentlich so müde?« Meine
Stimme klang tadelnd, obwohl ich das gar nicht wollte.
Liam griff sich mit einer Hand in den Nacken. Mittlerweile hatte
ich herausgefunden, dass es eine Verlegenheitsgeste war. Sehr
schön. Das Gespräch war ihm unangenehm. Also hatte er etwas
gemacht, was er mir nicht unbedingt erzählen wollte …
»Ich bin wohl etwas spät ins Bett gegangen.« Wieder begann der
See der Eifersucht, der seit Neuestem in mir wohnte,
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