Moonlit Nights
wenigstens nicht die
einzige, die ihr Gegenüber nicht mehr wiedererkannte. Also war
es nur fair. Liam zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was
du meinst ...«
»Natürlich nicht!«, entfuhr es mir und wir beendeten unseren
Heimweg schweigend. Zu Hause angekommen, begrüßte uns
mein Vater freudig.
»Hallo ihr beiden!«, flötete er uns gut gelaunt entgegen.
»Hallo Mr Forsyth«, erwiderte Liam höflich und legte seine
Schultasche hinter die Theke. »Ich werd’ dann mal.«
Mit diesen Worten wandte Liam sich ab und begann, das frisch
gelieferte Obst aus dem Keller zu holen.
»Schätzchen, wenn du willst ...« Doch ich ließ meinen Vater gar
nicht erst ausreden.
»Mach’ s selbst«, knurrte ich und stapfte wutschnaubend aus dem
Verkaufsraum. Ich schleuderte die Zwischentür, die den
Verkaufsraum von unserem Flur trennte, mit einem
ohrenbetäubenden Knall zu und wollte schon die Treppe zu
meinem Zimmer hinauflaufen, als meine Mutter plötzlich in der
Küchentür stand und mich bat, hineinzukommen. Auch das noch!
Musste sie ausgerechnet heute einen freien Tag haben und mich
zu einem nervtötenden Mutter-Tochter-Gespräch nötigen?
Genervt rempelte ich an ihr vorbei, pflanzte mich dann aber
gehorsam auf den Küchenstuhl. Verblüfft sah meine Mutter mich
an.
»Ich hab‘ doch noch gar nichts gesagt?!«
Das sollte wohl witzig sein, doch mir war nicht zum Lachen
zumute.
»Was willst du?«, fragte ich schroff, während ich eine Mandarine
aus der Obstschüssel nahm, sie auf den Tisch legte und mit
meinem Zeigefinger so lange darauf herum drückte, bis sie kurz
vorm Platzen war.
»Schlecht gelaunt?« Ich antwortete nicht. Das war ja wohl
offensichtlich!
»Ist es wegen Liam?«
»Warum sollte es wegen Liam sein? Muss sich alles im Leben um
Liam drehen?! Wie ist die Welt bloß vor Liams Geburt
zurechtgekommen?!« Ich merkte, dass ich die Beherrschung
verlor, und schnaubte wütend.
»Ah ..., es ist wegen Liam«, murmelte meine Mutter so leise, dass
ich nicht wusste, ob es wirklich für meine Ohren bestimmt war.
»Willst du darüber reden?« Ich antwortete wieder nicht.
»Interessiert er sich für ein anderes Mädchen?«, hakte meine
Mutter noch einmal nach.
AHHH!!! Das war ja nicht zum Aushalten! Musste meine Mutter
ausgerechnet heute ihren Einfühlsamen haben? Warum war sie
nie so feinfühlig, wenn es darum ging, mich bis auf die Knochen
zu blamieren? Ich stieß einen tiefen Seufzer aus.
Meine Mutter schob eine Tasse heiße Schokolade zu mir herüber.
»Komm, erzähl mir, was vorgefallen ist.«
Den Kakao nahm ich dankbar entgegen, doch mit ihr reden,
wollte ich nicht.
»Hmm …« Meine Mutter nagte an ihrer Unterlippe. Mir fiel
gerade auf, dass ich das auch sehr gerne tat, wenn ich nicht
wusste, was ich sagen sollte. Scheinbar hatten wir doch eine –
wenn auch sehr kleine – Gemeinsamkeit.
»Liam hat sich also für ein anderes Mädchen entschieden?«
»Na und?«, schleuderte ich ihr bissig entgegen, doch meine
Mutter ignorierte es. Ich merkte, wie sich eine kleine Träne aus
meinem Augenwinkel stahl und über meine Backe kullerte. Ich
versuchte, mich zusammenzureißen, doch es gelang mir nicht. Da
meine Mutter mich immer noch erwartungsvoll ansah, nickte ich
stumm. Sollte sie mit der Information anfangen, was sie wollte.
»Hat er dir das gesagt?« Ich schüttelte mit dem Kopf.
»Du glaubst es also nur?« Dieser skeptische Unterton in der
Stimme war typisch Mom. Er hieß, dass sie meine allwissende
Mutter war und ich nur das dumme, unerfahrene Kind, was
glaubte, irgendetwas zu wissen.
»Ich glaube es nicht, ich weiß es!«, grollte ich.
»Woher?«
»Er war mit ihr aus.«
»Und er hat dich nicht gefragt, ob du mitkommen möchtest …«
Das war keine Frage, es war eine Feststellung. Da mir erneut eine
Träne über die Wange lief, brauchte ich wohl nicht zu antworten.
»Woher weißt du das?«, fragte meine Mutter neugierig und zog
ungläubig eine Augenbraue nach oben. »Ich meine, dass sie aus
waren? Hat er dir das erzählt?«
Widerstrebend schüttelte ich mit dem Kopf.
»Ich bin aber nicht blind!«, fügte ich missmutig hinzu und dachte
daran, wie zerknirscht die beiden heute Morgen ausgesehen
hatten.
»Und was meinst du, gesehen zu haben?« Ah! Schon wieder.
Dieser zweifelnde Tonfall
– »Was meinst du gesehen zu haben«
–
sprach er nicht schon dafür, dass meine Mutter das alles für
Einbildung hielt? Ich hatte zwar keine Lust, diese sinnlose
Unterhaltung weiter
Weitere Kostenlose Bücher