Moonlit Nights
Turnschuh. Wie gewohnt tapste ich ins
Badezimmer, um erst einmal eine entspannende Dusche zu
nehmen. Ich zog meinen Schlafanzug aus und öffnete die
Duschkabine. Aus den Augenwinkeln konnte ich meinen Körper
im Spiegel sehen. Erschrocken fuhr ich herum. Blau! Alles blau!
Ich hatte gigantische blaue Flecke um die Taille, die in den
schönsten Farben leuchteten. Genau da, wo Liam gestern seinen
Arm um mich gelegt hatte, um mich hochzuheben. Ich hatte schon
gestern gemerkt, dass die Berührung im Gegensatz zu sonst
weniger sanft ausgefallen war, doch dass er so fest zugepackt
hatte, hätte ich nicht gedacht. Schließlich hatte es in keinem
Moment wirklich wehgetan. Ich tippte mit meinem Zeigefinger
auf einen der Flecken und fuhr vor Schmerz zusammen. Au! Die
Dinger sahen nicht nur verboten aus, sie taten auch noch scheiße
weh. Verdattert über meine Entdeckung ging ich duschen. Wieso
hatte Liam mich so grob behandelt? Das sah ihm gar nicht
ähnlich. Als ich so darüber nachdachte, fiel mir auf, dass Liam
sich gestern generell sehr komisch benommen hatte. Erst zierte er
sich davor, mich zu küssen und dann war er nicht mehr zu
bremsen. Selbst als seine Mutter zur Tür hereinkam und jeder
normale Jugendliche sich zu Tode geschämt hätte, hörte er nicht
auf. Er war … wie sollte ich es beschreiben … wie im Rausch?
Aber vielleicht war das ja bei jungen Kerlen normal. Wer wusste
das schon. Es klopfte an der Tür. »Kann ich reinkommen,
Schatz?« Es war meine Mutter. Zuerst wollte ich sie hereinbitten,
doch als ich beim Einseifen erneut über die Flecken fuhr,
antwortete ich: »Einen Moment noch!« Nicht auszudenken, was
passieren würde, wenn sie die Flecken sah. Sie würde bestimmt
glauben, mich hätte jemand misshandelt – und dann würde sie
ausrasten. Sie würde mich zwingen, ihr zu sagen, wie ich mir die
blauen Flecken geholt habe. Ich würde lügen, sie würde es
merken und vermutlich Liam verdächtigen. Dann dürfte Liam nie
wieder zu uns kommen – wenn sie ihn überhaupt am Leben ließ…
Ich duschte mich so schnell es ging ab, sprang aus der Dusche und
wickelte mir eins von den großen Badetüchern um. Gut, alles war
verdeckt. Meine Mutter konnte kommen. »Komm rein«, rief ich,
doch die Tür blieb geschlossen. Es hatte ihr wohl zu lange
gedauert. Schnell föhnte ich meine Haare und lief zurück in mein
Zimmer, um mich anzuziehen. Ich wühlte in meinem Schrank
herum und holte aus der hintersten Ecke ein Unterhemd hervor.
Ich hasste Unterhemden, doch in Anbetracht meines neuen
Körperschmucks war es wohl angebracht. Falls mein Pulli aus
irgendeinem Grunde ein Stück hochrutschen sollte, würde es mich
vor neugierigen Blicken schützen. Ich verstaute das Unterhemd so
tief in meiner Hose, dass ich das Gefühl hatte, es steckte bereits in
meinen Socken und zog den Pulli darüber. Fertig. Ich beeilte
mich, aus dem Haus zu kommen. Je schneller ich war, desto mehr
Zeit hatte ich mit Liam zusammen. Endlich erreichte ich unsere
Laterne, doch Liam war nirgends zu sehen. Komisch. Eigentlich
war er immer vor mir dort. Immer – bis auf einmal. Das war
genau vor 29 Tagen gewesen. Ich konnte mir das so gut merken,
weil es ein schrecklicher Tag für mich gewesen war. Ich hatte
gedacht, Liam und Amilia wären ein Paar und hätten die Nacht
zusammen verbracht. Dadurch hatte sich das Datum in mein
Gedächtnis regelrecht eingebrannt. Ich lehnte mich an die
Laterne. Meine Güte, war es kalt draußen. Ich zog den
Reißverschluss hoch bis unter mein Kinn und wartete. Immer
wieder schaute ich auf die Uhr. Die Zeit rannte dahin, doch Liam
war nirgends zu sehen. Es half nichts, ich musste losgehen, sonst
würde ich zu spät zum Unterricht kommen. Ich machte mich auf
den Weg zur Schule. Immer wieder drehte ich mich um, doch
Liam kam nicht. Hoffentlich war er nicht krank! Hoffentlich hatte
ihn seine Mutter nicht umgebracht, als ich gegangen war! Obwohl
ich ziemlich spät dran war, standen fast alle Schüler aus meiner
Klasse noch auf dem Schulhof und unterhielten sich angeregt über
etwas. Ich ging in die Klasse und setzte mich auf meinen Platz. Es
war ein komisches Gefühl, plötzlich wieder neben einem leeren
Stuhl zu sitzen. Außerdem sorgte ich mich um Liam. Was wohl
mit ihm los war? Krank hatte er gestern noch nicht gewirkt, aber
seine Mutter war extrem sauer. Ich betete für ihn, dass er nicht
allzu viel Ärger bekommen hatte.
Auf einmal lehnte sich Edwin in
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