Moonshadow - Das Schwert des grauen Lichts
Jacken, die bezahlt wurden,
um das Ge päck anderer Leute zu tragen. Angestellte in der Kleidung ihrer Unternehmen, jeder einen Rechenschieber unter dem Arm. Man che ware noch Jungen, die als Schreib hilfen und Hand langer für reiche Kaufleute arbeiteten.
Moon folgte der ansteigenden, gewundenen Straße in den Wald bei Hakone. Die Bäu me wurden höher, das Gestrüpp dichter. Die Straße selbst wurde schattiger. Massive, undurchdringliche Bambushaine erschienen zu beiden Seiten der Landstraße. Nahe und bequeme Verstecke für Banditen!
Die Art der Reisenden um ihn herum änderte sich erneut. Er sah jetzt weniger Städter auf der Straße. Es gab viel mehr Bauern, alle aus Sicherheitsgründen in Gruppen unterwegs. Moon entdeckte auch ein paar Samurai ohne Auftrag, bekannt als Ronin oder Wellenmänner, herrenlose Krieger. Söldnerschwerter!
Auf der Landstraße waren auch Priester, Mönche, und, am wichtigsten für Moon, Pilger jeden Alters unterwegs. Ihre Anwesenheit würde ihm dabei helfen, auf der Straße unsichtbar zu bleiben, denn heute war er nur ei ner von ihnen. Die meisten Pilger, das wusste er, waren auf dem Weg zu dem bekannten und beliebten Schrein von Ise, wo angeblich Gebete und Wünsche erhört wurden.
Für jeden Grenzwächter, der ihn kontrollierte, war Moonshadow nichts weiter als irgendein Pilger auf dem Weg nach Ise. Auf seinem Rücken trug er eine aufgerollte Schilfmatte, damit er wie die meisten Pilger auf dem Boden der Tempel, die er besuchte, nächtigen konnte. Anders als bei anderen Pilgern verbarg
seine Bettmatte allerdings ein Schwert und einen Satz ungewöhnlicher Werkzeuge. Unter seinem heiligen Pilgerumhang, der aus verschiedenen Schichten ölgetränkten Papiers bestand, hingen zwei Taschen mit Gebetsrollen aus Stoff. Sie ent hielten seine Shuriken. Unter seinem weiten, konischen Sonnenhut aus Stroh, der heiter mit Gebetssprüchen bemalt war, lauerte eine kleine Rauchbombe, die durch Zündplättchen auszulösen war.
Auch führte er mehr Silber- und Kupfermünzen bei sich als ein gewöhnlicher Pilger: Geld, um sich eine Unterkunft zu mieten, Nahrung und neue Waffen zu kaufen oder In formanten zu bestechen. Die Münzen waren tief in seinem Bauchgurt versteckt, der zum einen das Geld enthielt und zum anderen zwei weiteren Zwecken diente, nämlich den Träger in kalten Nächten warmzuhalten und, wie seine Inschrift verhieß, ihm Glück zu bringen.
Einen Moment hing er Tagträumen nach, versunken in die Düfte fremder Blumen am Straßenrand und die fremdartigen Akzente der Vorübergehenden. Dann erblickte er ein Eich hörnchen, das zwischen den Eichen an der Straße hin und her hüpfte. Moon blieb stehen und freute sich an dem huschenden grauen Fell.
Seine Augen begannen zu leuchten. Diese neuen Bilder und Geräusche munterten ihn auf, die Welt schien voller Wunder und Möglichkeiten zu sein. Es wurde Zeit, ein Experiment zu wagen.
Es war Bruder Eagle gewesen, der ihn gelehrt hatte, ›das Auge des Tiers zu fangen‹, sich in die Seele eines
Tiers hineinzuversetzen und sich für eine kurze Zeitspanne seine Augen oder andere Sinne zunutze zu machen. Eagle hatte ihm gesagt, dass es über den gewöhnlichen Tierblick hinaus zwei weitere Ebenen der uralten Wissenschaft gab. Die zweite Ebene war der Doppelblick, bei dem man durch eine Kreatur sehen konnte, zur sel ben Zeit aber im mer noch die eigenen Augen nutzte.
Und dann gab es die dritte und letzte Ebene: die Blickkontrolle. Sie erforderte höchste Kunstfertigkeit und konnte nur bei höheren Tieren angewandt werden. Wie der Name andeutete, ging sie über den reinen Nutzen des Tiersinns hinaus. Denn während der Blick kont rolle konnte man ein Tier dazu bringen, seinen Wünschen zu ge horchen, und mach te es damit zu ei ner geschickt kontrollierten Waffe. Der herabschießende Falke, der Bär auf Beutezug.
Er starrte auf das Eichhörnchen und fasste in Gedanken nach ihm. Es unterbrach sein lebhaftes Springen und blin zelte ihn an, sei ne Nase zuckte. Er würde es benutzen, um jetzt die zweite Ebene zu erreichen, durch die Au gen des Eich hörnchens zu se hen und durch seine eigenen. Moon hatte es schon ein paarmal geschafft, aber immer nur in Übungsstunden unter der Aufsicht von Eagle, und immer nur in winzigen, unsicheren Schüben, die ohne Vorwarnung wieder abbrachen.
Moon zögerte. Er war im Freien, und dies war vielleicht ein waghalsiges Unternehmen, aber wer würde davon erfahren? Er schloss die Augen, seine Hände zitterten.
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