Moonshadow - Das Schwert des grauen Lichts
er ihn nicht schnell genug aufspürte?
Der sanfte Regen hörte auf. Auf der ersten Anhöhe setzte Moon Nacht falke sanft unter eine breite, ausladende Pinie. Zusammengerollt auf ei nem weichen Bett aus Piniennadeln, schnarchte sie zufrieden, während er zu Atem kam und ein letztes Mal auf Fushimi sah. Niemand schien ihnen zu folgen. Tief aus der Stadt hörte er Geräusche, ein barscher Samurai rief Be fehle, aber die Bäu me und Gebäude verbargen das Geschehen.
Moon sah eine leichte Bewegung in seiner Nähe, und er lehnte sich vor, um besser zu sehen. Er grinste. Konnte er seinen Augen trauen? Die Tempelkatze! Sie stand auf einer Steinmauer am Ende der Straße und sah in seine Richtung. Wollte sie sich vielleicht verabschieden? Moon schüttelte den Kopf. Vielleicht hatte ihm das Schicksal ja zu zwei unerwarteten Freunden verholfen. Aber auf seinen Schultern war jetzt kein Platz mehr; diesen musste er zurücklassen.
Er legte sich Nachtfalke wieder über die Schulter und machte sich auf den Weg zu dem Treffpunkt, aber wieder ergriff ihn ein Gefühl der Angst, als er weiterging. Er grollte innerlich, er hasste dieses Gefühl.
Was war es? Welcher Faden war nicht richtig verwahrt worden?
ZWANZIG
DIE GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG
Er kämpfte sich den Berg hoch. Als die Pinien spärlicher wurden und weiße Felsnasen sicht bar wurden, wusste Moon, dass der Treffpunkt nicht mehr weit war. Er legte Nachtfalke neben ein dünnes Rinnsal, das sich durch den Felsen schnitt.
Mit einer Bambusphiole aus seinem Rucksack benetzte er ihr Gesicht, ihren Hals und ihre Armbeuge und brachte sie soweit, dass sie etwas trank. Moon beobachtete, wie Nachtfalke das Wasser so gierig herunterschluckte, dass die Hälfte ihr Kinn hinabrann. Er füllte den Bambusbecher immer und im mer wieder, denn Nachtfalke war außergewöhnlich durstig. Je mehr sie trank, desto munterer wurde sie. Nach einigen Phiolen des eiskalten Felsenwassers kletterte sie selbst zu dem Rinnsal und trank noch mehr. Während sie ihren Durst stillte, studierte er die Umgebung. Zwischen zwei ziemlich verkrüppelten Bäumen ent deckte Moon den Eingang zu einer kleinen Kalksteinhöhle.
Endlich konnte Nachtfalke ohne Hilfe aufrecht sitzen und wischte sich den Mund ab. Sie öffnete ihre Augen weit und sah Moon an. Er konnte erkennen,
dass ihre Gedanken jetzt wieder klarer waren, aber es war auch offensichtlich, dass das Gift sie stark geschwächt hatte.
»Willkommen zurück«, lächelte er sie an. »Ge rade rechtzeitig. Ich hätte Probleme gehabt, dich dieses letzte Stück zu tragen.« Er zeigte auf den Bergrücken. »Wenn die Karte, die ich mir ge merkt habe, nicht von Badgers Affen bekleckert war, liegt genau hinter diesem Bergrücken eine Felsenschlucht. Dieses Rinnsal mündet wahrscheinlich in den Fluss, der da durchfließt. Das gegenüberliegende Ufer ist der Ort, wo wir erwartet werden.«
»Von Badgers Affen bekleckert?« Nachtfalke rieb sich die Augen. »Für was für eine Ein richtung arbeitest du?«
»Vergiss es«, grinste er. »Wenn du wieder auf den Beinen bist, ru hen wir uns ein we nig aus und reden über diese Einrichtung.« Er drehte sich um und zeigte auf die Höhle. »Da hinein, zur Sicherheit.« Sie spähte auf den Höhleneingang, sah einen Moment nachdenklich aus, dann nickte sie. Er streckte seine Hand aus. »Außerdem, entweder ruhen wir uns jetzt aus oder du trägst jetzt mich.«
Sie kämpften sich zur Kalksteinhöhle vor, die, wie sich herausstellte, nur halb so groß war wie das Zimmer, das er in Fush imi gemietet hatte. Moon setzte sie vorsichtig ab, immer eingedenk der niedrigen, unregelmäßigen Decke der Höhle, dann sackte er auf den kalkbestreuten Boden neben ihr und rieb sei ne schmerzenden Oberschenkel, um kei ne Krämpfe zu bekommen.
»Kannst du dich erinnern, was ich dir da unten erzählt habe?« Er blickte Nachtfalke ernst an. »Wenn du dich uns anschließt, dem Orden vom Grauen Licht, wenn sie dich akzeptieren - was sie sicher tun werden, glaube ich - musst du nie mehr Angst haben, von deinen eigenen Leuten umgebracht zu werden, nur von einem Feind draußen. Jeder - Samurai, Shinobi, Kaufmann oder Bauer - lebt sowieso mit diesem Risiko.«
Nachtfalke war für eine ge raume Weile still und schien seine Worte abzuwägen. Dann räusperte sie sich. »Also gut. Erzähl mir von ihnen. Wenn du mir wirklich vertraust und willst, dass ich dir vertraue, dann erzähl mir über den Orden vom Grauen Licht. Wer sie sind.«
Moonshadow holte tief Luft.
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