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Moonsurfer

Moonsurfer

Titel: Moonsurfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Birck
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der Querstreben im Rumpf.
    Eine Stimme sagt wie aus weiter Ferne: »Ihr müsst trinken und essen, Spion!«
    Steven rührt sich nicht, wagt nicht zu atmen, liegt still wie zu Stein erstarrt und lauscht. Das Ganze ist ein einziger Albtraum …
    Sie haben mich entdeckt!
    Schritte. Sie umkreisen das Kanu. Ein Schatten huschtüber den Lichtstreifen zwischen Kanuwand und Sandboden, dann tauchen zwei nackte Füße auf. Jemand lässt sich neben das Kanu auf seinen Hintern fallen. Und dann baumelt eine braune Flasche vor dem Spalt.
    Durst! Steven greift nach der Flasche und zieht sie zu sich in den Schatten. Er zerrt und dreht am Korken. Ein dumpfes Plopp! , die Hände zittern, Flüssigkeit spritzt über seine Brust und rinnt aus seinen Mundwinkeln, als er einen tiefen Schluck nimmt.
    Feuer! Es brennt in seiner Kehle und frisst sich nach unten durch, bis in den Magen. Steven kippt das schwere Kanu mit aller Kraft zur Seite. Er schnappt nach Luft, röchelt, hustet und springt auf, als hätte er einen Skorpion verschluckt. Dann würgt, spuckt und kotzt er wie ein Vergifteter.
    Der, der eigentlich von Steven getötet werden soll, hat es sich unterdessen im Schatten einer Palme bequem gemacht. Snake hockt genau dort, wo noch in der Nacht das geheimnisvolle dunkelhäutige Mädchen saß. Neben ihm der schwarze Hund, klitschnass, den Kopf ein wenig zur Seite gedreht, Zunge raus, hechelhechel, zwei listig blitzende Augen.
    »Rum holt einen jeden zurück zu den Lebenden, ob er es wünscht oder nicht!«, sagt Snake grinsend. Dann lacht er und wirft Steven einen bauchigen Sack zu.
    »Hier, nehmt das Wasser!«
    Steven fängt den Sack auf, macht einen kurzen Test, was den versprochenen Inhalt betrifft, erst dann trinkt er gierig.
    Snake hat seine langen, rotbraunen Haare im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden und grinst Steven jetztmit seinem schmalen, dicht von Sommersprossen besiedelten Gesicht an. Auf einmal springt er auf, nimmt Anlauf und landet nach einem mächtigen Satz etwa in Mannshöhe am Stamm der Palme, um nach nur wenigen schnellen Kletterbewegungen hoch droben zwischen den weit ausladenden Palmwedeln zu verschwinden.
    Zwei Kokosnüsse fliegen zu Steven herunter, der sie mit dem Reflex eines Footballspielers auffängt. Schon steht Snake wieder vor ihm, diesmal mit dem Säbel in der Hand, der gerade eben noch an seinem Gürtel hing.
    Steven stolpert rückwärts, bereit zur Flucht.
    »Keine Sorge, mein Freund! Seid vergewissert, ich töte Euch nicht, das heißt, noch nicht. Aber nur, wenn Ihr mir freundlicherweise mindestens eine der beiden Kokosnüsse überlasst, die Ihr da vor Eurer Brust haltet, als wären sie die Auslage einer fetten Hure aus Port Royal!«
    Der Junge, der wie ein Zirkusartist die Palme rauf- und wieder runtergeklettert ist, greift sich eine Hälfte der Auslage aus Port Royal und zeigt Steven, wie man eine Kokosnuss mit einem Säbel und wenigen gezielten Schlägen öffnet.
    Mit einem gewissen Sicherheitsabstand lässt sich Steven neben Snake im Schutz der Büsche nieder. Sie trinken Kokoswasser, lösen das weiße, frische Kopra heraus und essen. Scouba ist verschwunden, kehrt dann aber mit einem Fisch im Maul zurück.
    »Wer seid Ihr?«, fragt Snake kauend.
    Steven, ebenfalls kauend, antwortet: »Steven Waves. Und du? Ich mein, wenn dein Käpt’n dich nicht gerade Snake nennt?«
    Snake schluckt ein paar Kokosbrocken herunter. »Ihr seid mir ein wenig zu neugierig, mein Freund«, sagt er. »Snake muss Euch fürs Erste genügen!« Doch mit Stevens Antwort gibt er sich nicht zufrieden, und nachdem Snake eine Weile an einem weiteren Stückchen der nahrhaften Frucht herumgekaut hat, hakt er nach: »Ihr hattet Euch bereits an Bord der Blackbird als ›Steven Waves‹ vorgestellt, mein Freund. Von viel größerem Interesse ist für mich also, wer Ihr wirklich seid. Auf ein Wort: Seid Ihr nun ein Spion, oder nicht?«
    »Ich …«, setzt Steven an und bricht sogleich wieder ab. »… ach Scheiße, das glaubst du mir eh nicht.« Er reibt sich die Augen, kratzt sich die zerstochenen Beine. »Ich kapier das ja selber alles nicht, aber es scheint tatsächlich so zu sein, wie’s eben ist. Einfach zu verrückt. Snake … ich … welches Jahr habt ihr hier? In welchem Jahrhundert befinde ich mich?«
    »Es scheint, als hättet Ihr einen Sonnenstich, mein Freund«, sagt Snake und tippt sich mit der flachen Hand auf die Stirn. »Wir haben das Jahr des Herrn 1693 , ungefähr Juni.«
    »Sechzehnhundertdreiundneunzig?!«

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