Moor
herbeiwinkt, Liebling, girrt sie, machst du mir die Beine? Dampf wallt dir entgegen, der betäubende Lavendelduft, dann ihr Atem, schal wie meistens am Morgen, wenn sie nachts noch in der Scheune gearbeitet und dabei gesoffen hat, den billigen Wein, den du kurz vor Ladenschluss für sie hast holen müssen, im Laden von Ilse Bloch, die die Flasche in der Hand dreht, als würde sie das Preisschild nicht finden.
Ihr Oberkörper rutscht tiefer ins Wasser, nur die Knie ragen aus dem Schaum, du denkst an die Schlenken im Winter, wenn erster Pulverschnee die Mooshöcker bedeckt und die Ebene einem Meer solcher Kuppen gleicht, Bult, Spalte, Bult, dazwischen das leise Klirren gefrorener Halme, ihr Körper endlos am Horizont. Sie drückt dir den Rasierapparat in die Hand und sagt: Das Einzige, was deine Mutter heute verkaufen wird, sind ihre Beine. Ihre Haut quietscht auf der Emaille, als sie den Fuß in die Höhe streckt und dir dabei den Zigarettenrauch ins Gesicht bläst; doch es ist ja nur Regendunst, der flüchtige Umriss ihrer Figur, der in dünnen Fäden aus der Furche steigt. Nun lauf schon, Dion, locke ich dich tiefer hinein in das Nebelbild, die Prozedur war dir doch schon immer ein Graus: Sie stippt dir mit dem Zeh Schaum auf die Nase, schlägt nun auch das andere Bein über den Wannenrand und seufzt: Schöne Beine sind auf dem Kunstmarkt wichtiger als gute Bilder, also streng dich an! Vorsichtig setzt du den Rasierer an und ziehst die erste Bahn, kennst schon das Geschäft, und wie heikel es ist, wenn deine Aufmerksamkeit oder ihre Stimmung auf der Kippe stehen.Du lässt den Apparat wie gewohnt nach unten gleiten, so konzentriert, dass dir dabei der Schweiß ausbricht, wegen der Hitze im Badezimmer oder vor Ärger, weil sie sich räkelt und gähnt: Gut machst du das.
Wie zu einem Knecht!, denkst du und springst auf den nächsten Buckel, aus dem das Wasser quillt. Wie der Freier zur Nutte!, kichert’s im Moos. Du stolperst, fängst dich ab, läufst weiter. Denk: leck mich!, zischelt ein Farnbüschel, sag: mach’s doch selber, stimme ich mit ein, hör auf, ihr Prügelknabe zu sein, der für alles herhalten muss, für ihre miese Laune, ihre schlechte Kunst, und auch die Schramme am Bein ging natürlich auf deine Kappe, weil dir beim letzten Mal der Rasierapparat plötzlich aus der Hand über ihren Knöchel gerutscht ist, oder hast du die Klinge doch absichtlich über ihren Fußknöchel in den Schaum geratscht, der sich von dem Blutstropfen rosa verfärbte?
Idiot!, rief sie und fuhr in der Wanne hoch. Du hast benommen auf die Tropfen gestarrt, die von der Brust zum Bauchnabel rannen. Wieder das Hautgeräusch auf der Emaille, dann ihre Stimme, metallisch jetzt, du bist wie dein Vater, ein Bauer! Sie stieg heraus, schob dich weg und schnappte das Handtuch.
Etwas Rotes spritzt dir gegen das Bein, kein Blut, nur ein Blatt des Sonnentaus, den du unter den Sohlen zermalmt hast. Die seltene Moorpflanze steht schon herbstlich welk in ihrer kleinen Gesellschaft am Rand des Tümpels, in den hinein du beinahe gestolpert bist. Die feinen Tentakel haben ihre leuchtende Farbe verloren und sind zu Krusten vertrocknet, zwischen deinen Fingern zerbröselt das Blatt wie Grind. Erinnerst du dich? Auch von dem Rasierunfall war am nächsten Tag nur ein Kratzer am Schienbein zu sehen gewesen, der auch von einem scharfen Binsenhalm hätte rühren können, nicht der Rede wert. Dennoch war ihre Laune schlecht, als sie im Regen mit dir zum Teich stapfte, du wieder mit Schirm auf dem Baumstumpf, sie nackt zwischen den Binsen. Sie hat nicht herübergezwinkert, spulte ihre Pantomime ab, als wäre es eine lästige Pflicht. Wie sie dir das Nachthemd zuwarf, die Spange ins Haar pfriemelte, mit Ekelmiene das Wasser durchpflügte, schien dir, als täte sie es mehr für dich als für sich selbst, so, wie du heute mehr zu ihrer als zu deiner Erheiterung noch immer ab und zu den Alten Mann spielst, indem du dir Wollgrasbüschel auf die Oberlippe und in die Ohrmuscheln klebst und auf den Besenstiel gestützt vor ihr herumtaperst, weil sie wieder mit Steingesicht und nachmittags noch immer im Bademantel auf der Veranda hockt und das einzige Lebenszeichen aus ihrem Inneren die Rauchschwaden sind, die von ihrem Mund aufsteigen, bis sie schließlich doch noch den Kopf bewegt, ins Spiel mit einsteigt und die Greisin mimt, die dich müde anlächelt, die Lippen einsaugt und nuschelt: Liebling, hast du mein Gebiss gesehen?
Doch an jenem Morgen hätte auch
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