Moor
einem Fremden verabredet hat, durch den Rauch ihrer Zigarette hindurch die Gäste beobachtete, die plaudernd heranschlenderten und beiläufig das lobend erwähnte Werk betrachteten. Sie nickten ihr zu und reihten sich in den Pulk ein, der sich um den Preisträger gebildet hatte. Marga stieß energisch den Rauch durch die Nasenlöcher und grinste dich an. Gutsiehst du aus, sagte sie, doch du hast das Zittern ihrer Hand gespürt, als sie dir das Revers des Anzugs zurechtrückte, den sie, wie sie nicht müde geworden war zu betonen, extra für diesen Anlass genäht hatte.
Du beugst dich über das Wasser. Auf der mattglänzenden, ein wenig ölig wirkenden Oberfläche siehst du den bleichen Schatten deines Gesichts. Wie eine Schaufensterpuppe sahst du damals aus, in diesem Kostüm mit Krawatte, die dir die Gurgel abschnürte. Du hattest Hunger und keine Lust mehr, für sie das Maskottchen zu spielen. Deine Füße schmerzten in den harten Lederschuhen, die du schon immer verabscheut hast, und das Lächeln, das sie mit dir am Abend zuvor vorm Garderobenspiegel geübt hatte, war in deinem Gesicht längst zu einer Grimasse gefroren. So schmieren wir sie uns aufs Brot, hatte sie gesagt und mit den Fingernägeln deine Wangen zusammengedrückt, und du hattest den Mund aufgeklappt und die Zähne gebleckt. Lächeln, nicht drohen, lachte sie und biss dir knurrend in die Lippe.
Doch ihre gute Laune war längst in Gereiztheit umgeschlagen. Als du sie zum Büfett drängtest, zog sie den Krawattenknoten fester und deutete mit den Augen auf eine Frau, die gerade auf den Preisträger zueilte, einen jungen, etwas zu schrill gekleideten Typen mit dunkler Haarmähne, fusseligem Bart und weißen Cowboystiefeln. Sie beugte sich zu dir herab und flüsterte: Die Alte da ist die Galeristin Ute Hassforther. Die müssen wir uns schnappen. Im selben Moment drehte der Typ sich um und blickte herüber.
Die Tür springt auf, reißt sie aus ihren Gedanken. Sie starrt hin zu dem Kerl, der plötzlich vor ihr steht, im knallbunten Hemd, zwei Knöpfe offen. Daniel!, tut Ute überrascht. Marga spürt seinen Blick, der ihren Körper taxiert, von denFußspitzen bis zum Dekolleté, wo er eine Sekunde zu lang verweilt. So sieht man sich wieder, grinst er, sie nickt einen knappen Gruß, dann schnalzen die Wangenküsse, über Utes Schulter hinweg blinzelt Röcker ihr komplizenhaft zu; schon bei der Vernissage, erinnert sie sich, hatte er ihr aufschneiderisch zugezwinkert, und auch dir, Dion, war damals nicht entgangen, dass da etwas, wie es heißt, im Busch war.
Von irgendwoher zuckt ein Licht über deinen Kopf hinweg. Du drehst dich um und siehst über der Ebene den Himmel aufreißen, hinter Wolkenfetzen steht wachsbleich die ausgewaschene Sonne. Deine Glieder schmerzen vom Rennen und Stolpern, pochen in den nassen Kleidern, die dir plötzlich zu eng erscheinen, als hätte sich dein Körper während deiner Flucht ausgedehnt und rebellierte nun von innen gegen die eigene Haut, ein Gefühl wie an jenem Abend, als du dir den Kinderanzug am liebsten vom Leib gerissen hättest. Wie du sie in diesem Moment verflucht hast! Du schleuderst den regennassen Schal von dir, wirfst den Ranzen ins Gras. Ja, zeig es ihr!, tönt es zu dir herauf. Sie hat dich für diesen Kerl einfach stehenlassen, nach dem sie schon den ganzen Abend gelinst hatte; wie er von Grüppchen zu Grüppchen geschlendert war, umringt von Journalisten und Kulturfunktionären, sie hingegen stand meistens allein neben dir an der Wand.
Ihr Kopf, erinnert sie sich nun wieder, während sie Röcker aus den Augenwinkeln betrachtet, schmerzte vom Kettenrauchen und von den drei Lexotax, die kaum halfen, ihren Widerwillen gegen diese Veranstaltung zu betäuben. Ihr Magen war vom Sekt übersäuert, sie fühlte sich ausgezehrt und von all den geheuchelten Komplimenten zugleich überfüttert, wollte weiter vom Lob der anderen fressen und gleichzeitig alles wieder auskotzen, sah den Preishengst aus der Menge heraustreten und mit Hüftschwung und einemletzten Blick zu ihr hin im Kloflur verschwinden. Warte hier auf mich, sagte sie, drückte dir ihr Glas in die Hand und stieß sich von der Wand ab.
Röcker präsentiert sein neuestes Werk. Unter der Folie erkennt Marga die gepuzzelte Frau, jetzt in Gelb. Ute schält das Gemälde aus der Verpackung, lobt Farbverlauf und Komposition, schiebt ihr dabei den Libellenjungen zurück in die Hand. Sie verbirgt das Bild hinterm Rücken, Röcker schielt nach ihrem Arsch, das
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