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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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Beste dieses Abends, ein Hauptgewinn, hatte er damals gesagt und in der Klokabine ihre Backen gepackt. Jetzt lässt er die Luft zwischen den Zähnen hindurchströmen, streicht sich eine nasse Haarsträhne aus der Stirn und blickt Marga herausfordernd an. Heute ohne deinen Sohn? Ute äugt verblüfft hin und her. Ihr kennt euch? Sparkasse, nickt Röcker. Ach Gott ja!, ruft Ute etwas zu laut; in ihrem Gesicht bricht sich nun doch die Anspannung Bahn. Sie kippt die Leinwand ins Licht, wirklich gut!, wiederholt sie, es klingt wie ein Befehl. Marga fühlt sich genötigt, etwas zu sagen, murmelt: Ich mag kein Gelb, was nicht gelogen ist, steht doch Gelb gleich neben Rot auf ihrer Liste der zu vermeidenden Farben, die an die primitiven Instinkte rühren, gelb sind in ihrer Farbwelt die Kinderzimmer, Sonne, Mond, der Judenstern, Rosen auf Krankenhaustischen, Eiter und Tod.
    Ich bring’s nach hinten, lenkt Röcker ab und empfiehlt sich mit dem Zeigefinger an der von schweren Locken gerahmten Stirn. Aber da hängt doch mein Zeug, protestiert Marga. Im Gesicht der Galeristin zuckt eine Braue. Du räumst den ganzen Laden für diesen Scheiß? Utes Züge geraten ins Rutschen. Weder sei ihre Galerie ein Laden, schnappt sie, noch dieses Bild ein Scheiß.
    Deine Mutter lacht auf, kurz und schrill, der gleiche Laut, halb Verzweiflung, halb Angriff, der damals aus der Toilette zu dir herausdrang. Als sie nach fünf Minuten noch immer nicht zurück gewesen war, hattest du deinen Wachposten an ihrem Gemälde aufgegeben und warst mehrmals am Büfett auf und ab gelaufen, wo ein solches Gedränge geherrscht hatte, dass es dir nicht gelang, zwischen den sich herumschiebenden Leibern in ihren Anzügen und Abendkleidern eine Frikadelle zu ergattern. Auch an der Bar fandest du keinen Sitzplatz, wo du wenigstens ein paar Salzstangen hättest knabbern können. Auf einem Hocker sahst du den Mann von der Stiftung, der euch zu Beginn des Abends hoffärtig empfangen hatte. Jetzt hob er sein Glas und prostete dir zu. Ob du deine Mutter verloren hättest, rief er schwerzüngig herüber, seine Mutter?, lachte der Typ neben ihm, er habe gedacht, der Lütt sei ihr Leibwächter. Die Männer grölten und drehten sich weg. Du hast den Druck hinter den Augen gespürt, das Brennen in der Kehle, das vom Magen herauf bis zum Knoten der Krawatte stieg, die du nach einigem Gezerre auf den Boden geschleudert hast, und weil du plötzlich glaubtest, dich in der nächsten Sekunde vor Hunger oder Wut übergeben zu müssen, bist du schließlich doch in den Toilettenflur gerannt, vor die zweite Kabine bei den Männern, wo du im Spalt über dem Boden die spitzen, weißen Cowboystiefel sahst, zwischen den Pfennigabsätzen ihrer Pumps.
    Vom Geräusch deiner Hände auf der Tür schreckte sie hoch; erst ein zaghaftes Klopfen, dann plötzlich Fausthiebe. Röcker erstarrte, sie nahm seine Hand und schob sie wieder unter ihr Kleid, doch er zog sie zurück und zischte: Scheiße, wer ist das? Sie spürte eine große Ermattung, die Gewissheit,endgültig erledigt zu sein, als sie von draußen deine Stimme hörte, hMama?, erst wie die bange Frage aus der Dunkelheit einer Kindernacht, dann, nach einer kurzen Pause, hart und ohne Stockung, der Wutschrei eines Erwachsenen am Ende aller Enttäuschungen.
    Der Typ schnalzte genervt und packte sich weg. Sie schnellte vor und wühlte seinen Schwanz aus der Hose, rutschte auf die Knie und saugte, vom Geruch ihres eigenen Speichels, der am Schaft klebte, wurde ihr übel. Wieder deine Faust auf der Tür, Röckers Fluchen, das bringt jetzt auch nichts mehr!, ein Furz nebenan, gefolgt von einem tiefen Stöhnen, dann die Wassergeräusche, das Gurgeln der Menschenmenge im Foyer, das dazwischenschwappte, alles gedämpft, abgehackt, als wären plötzlich ihre Ohren verstopft; die Wirkung der Tabletten holte sie von einer Sekunde auf die andere ein, riss sie mit der Wucht einer Welle nach unten, in ein Gefühl des Fallens. Sie sackte in sich zusammen, empfand die Lust, eher eine feindselige Gier, die sie eben noch durchbebt hatte, jetzt außerhalb ihres Körpers, eng, eisern, wie einen Panzer, der sie zu erdrücken drohte. Nebenan rauschte die Spülung, ein Türschloss knackte, dann deine krampfende Stimme, hkomm hraus hda, Röcker schwoll nicht mehr an, sie stieß ihn weg. In den Knall, mit dem er gegen die Kabinenwand taumelte, platzte ihr Gelächter, verstummte so schnell, wie es aus ihr hervorgebrochen war.
    Es war nicht das schwache, ein wenig

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