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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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wachsen noch ein Stück in die Höhe und bieten den bestmöglichen Blickschutz, selbst der Frosch, der die ganze Zeit nervte, gibt es auf, sein Revier zu verteidigen, und du packst endlich, endlich zu.
    Wahr aber ist, dass Tanja keinen Alkohol trinkt, wegen der starken Tabletten, die sie schlucken muss, ist sie auch da sehr diszipliniert. Auf dem Adventsbazar, wo am Abend alle beschwipst herumtorkeln und sogar die Kinder angeschickert sind, weil sie die Reste aus den abgestellten Glühweinbechern schlürfen, wärmt sie ihre Hände an einer Tasse Tee. Von Hannes hat sie aber doch eine Zigarette genommen. Da baute sich Daniela, als die endlich in der Jeans drin war, vor ihr auf. Ob sie jetzt mit nach Hause komme?, fragte sie schnippisch, und Tanja drückte schon die Zigarette aus, doch Hannes schüttelte den Kopf. Du hast dir vorgestellt, wie er sie später auf dem Mofa zurückbringt, sie dicht an ihn gepresst oder schon an seiner Schulter halb eingeschlafen. Schnell bist du aufgesprungen und der wütend durchs Schilf davonstapfenden Bloch-Tochter hinterher, die sich plötzlich umdrehte, dir einen Stoß vor die Brust versetzte und zischte:Da läuft doch was zwischen euch dreien! Du bist erschrocken unter ihrer Hand weggetaucht in die Binsen, direkt in die Arme von Jakob Wendisch.
    Der Mongoloide saß auf einem umgestürzten Baumstamm, starrte dich aus seinem Plattgesicht verständnislos an und spuckte einen gluckernden Laut aus, halb Verwunderung, halb Drohung, Komm mir nicht zu nah oder Was willst du hier?, irgendetwas in der Art schien ihm auf die Zunge zu drängen. Du bist zwischen seinen gespreizten Beinen stehen geblieben und hast auf die massigen Achseln geglotzt, unter denen sich das Haar hervorkräuselte. Er roch nach Schweiß und Sonnenmilch, in seinem Nacken glänzte die schmierige weiße Schicht. War er zurück nach Hause gelaufen und heimlich wiedergekommen? Er trug ein ausgeleiertes Trägerhemd und Shorts; seinen Klamottenhaufen und die Turnschuhe hattest du doch eben noch am Strand unter dem Baum liegen sehen.
    An seinem Nasenloch klebte eine Blutkruste. Weil du dich nicht regtest, glaubte er die Gefahr vorbei und fuhr fort in seinem selbstgenügsamen Spiel: Er beobachtete die Mücken, die sich zahlreich auf seinen Armen niederließen, wartete, bis eine zustach, und schlug das Insekt im wehrlosen Moment mit erstaunlich flinker Hand tot. Den kleinen Blutstropfen, der zurückblieb, verrieb er zusammen mit dem Mückenkadaver auf der Haut. So ging das drei-, viermal, auf dem Unterarm, an der Innenseite des Schenkels, der mit weißblondem Flaum dicht bewachsen war, selbst das Insekt auf der Wange traf er zielsicher. Da endlich hobst du selbst die Hand. Jakob zuckte zurück und spähte verängstigt hinter seinem Ellenbogen hervor; vielleicht fürchtete er, noch immer eingeschüchtert von den Schikanen am Fluss, nundoch deine Faust. Du hast den Finger auf deine Lippen gelegt und ihm mit den Augen befohlen, sich nicht zu rühren. Die Mücke auf der Schulter ließ sich Zeit; sie krabbelte erst zum Hals, dann zurück in die weiche Hautfalte der Achselhöhle. Im richtigen Augenblick hast du sie zerquetscht. Jakob grinste und schlug sich mit der flachen Hand so fest auf die Brust, dass der Fingerabdruck mit gleich zwei Mückenleichen darin weißlich auf dem Sonnenbrand leuchtete. Du hast ausgeholt und ihn an der Schläfe getroffen, er hieb sich auf die Wade, dann klatschte ihm deine flache Hand gegen das Schulterblatt, er konterte mit einem Schlag auf deinen Arm. Die Insekten schienen durch den Gegenangriff jetzt rachsüchtig und noch blutrünstiger. Jakob ohrfeigte dich, du verpasstest ihm Nasenstüber, Kopfnüsse und einen Stoß in die Leistenbeuge, wo gar kein Blutsauger lauerte. Das Stakkato der Klatschgeräusche vermischte sich mit Jakobs begeistertem Grunzen, dem fernen Gequäke aus dem Kassettenrekorder und dem Girren der Frösche zum Getöse einer Schlacht, in der die Stimmen der Mücken, hätten die vor Todesangst schreien können, die erbarmungswürdigsten gewesen wären.
    So aber war es Jakobs plötzliches Gewimmer. Er hatte für mehr Kampffläche seinen Bauch entblößt, dabei war ihm die Hose auf die Beckenknochen gerutscht, in deinem Blick, der über seinen kräftigen, gar nicht krüppelhaften Leib hin und her hastete, plötzlich der flächserne Haarbusch. Eben noch hatte er dir lachend mit seinen schmutzigen Fingern ein Geschmier aus Mückenkadavern und Schweiß unter das Hemd gerieben; jetzt schnellte

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