Moor
und von breiter Statur, diese Art Gummikörper hat, der jedem Druck nachgibt, wusstest du noch von den Kinderspielen auf der Wiese, wenn du Jakob beim Wettlauf aus der Bahn gestoßen oder ihm ein Bein gestellt hast, um nicht auch noch gegen den Dorfidioten zu verlieren. Zwar warst du Jakob, der, statt zu sprinten, sich ruckartig vorwärtsschleuderte, viele Meter voraus, doch zurück am Ball, wurde dir der Anfangsbuchstabe seines Namens, das freundlich und wohlwollend, sozusagen jovial daherkommende J, mit seinem unscheinbaren Widerhaken zum Joch um dein krampfendes Kinn. Dennoch hast du die Tortur an der Jumme als ungerecht und gemein empfunden, denn wie damals, als Jakob über dein Schienbein hinweg und ohne sich mit den Händen abzufangen ins Gras plumpste, hat er sich auch dieses Mal gegen seine Peiniger nicht gewehrt.
Du hast trotzdem gelacht, aus Angst, du könntest als Nächster an der Reihe sein. Sie boxten ihn ins Wasser und traktierten ihn mit Kniffen und Püffen, Berührungen, die Jakob schon immer zum Grinsen und Glucksen gebracht hatten,egal, ob man ihn koste oder quälte. Auch das Zwicken und Zerren an seiner Badehose muss ihm gefallen haben; als David Voss endlich die Trophäe in der Hand schwang, ragte es an Jakob unglückselig groß und gesund empor. Ob er sich selbst blasen könne?, rief David, packte ihn am Schopf und zwang sein Gesicht nach unten, auf das Hochaufgereckte und noch darüber hinaus zu den Knien immer runter in den Fluss, bis der ihm in den Mund schwappte und zur Nase wieder herauslief, erst das trübe Jummewasser, dann helles Blut. Jakob ist dann so, steil und blutend, über den Sandstrand weg ins Gestrüpp. Es war das erste Mal, dass du ihn nicht wie sonst hast gurren und kichern hören; plötzlich irgendwie gedrungen und mit einem Laut wie von einem waidwunden Tier tauchte er ab in die Binsen. Debile, protzte David Voss in die Runde, hätten immer die größten und könnten nichts damit anfangen. Er beulte seinen Schädel in Jakobs Badehose und machte auf Mongo, doch niemand lachte jetzt mehr.
Während Daniela Bloch, die Krämertochter und Tanjas Banknachbarin, in das Gekreisch über dem Wasser mit eingestimmt hatte, als die Mädchen an Jakob Wendisch sahen, worüber sie bisher nur getuschelt hatten, saß Tanja still im Schatten eines Baumes. Sie hatte, erinnerst du dich, unter dem kurzen Rock keinen Slip getragen oder den Slip ausgezogen, als sie einmal vorsichtig bis zu den Oberschenkeln ins Wasser gewatet war, als wollte sie wenigstens auf diese Art am Sommerspaß der anderen teilhaben. Da hast du gesehen, dass Tanja Deichsen trotz ihrer Zartheit und Kleinwüchsigkeit längst kein Mädchen mehr ist, sondern eine junge, heranreifende Frau, wie alle anderen voller Phantasien und Begierden, mit dem einen Unterschied, dass das Abenteuer der Jugend möglicherweise ungelebt an ihr vorüberziehen,also keiner der kraftmeiernden Klassenkameraden die Sache mit ihr machen würde, um die ihre Freundin Danny mit verrutschtem Bikini und arschknappem Höschen buhlte, und sie, Tanja, an diesem heißen Augustnachmittag, den auch du statt im Tumult lieber lesend abseits im Schatten verbracht hast, vielleicht deshalb die Beine noch ein wenig mehr öffnete, als sie deinen Blick spürte, sich dann aber plötzlich wegdrehte, weil im selben Moment das Mofa knallte.
Die Mädchen verstummten, auch die Köpfe der Jungs klappten herum. Alle schauten zu der Staubwolke, die über dem Schilf aufstieg. Hannes schlingerte mit nacktem Oberkörper die Maschine über die Sandbank, im Schlepptau den Bollerwagen mit einer Kiste Bier und ein halbes Dutzend Fahrräder, die der Pulk auf den Kies scheppern ließ. Er bockte das Gefährt auf und schaute herüber, erklärte mit einem einzigen Blick das Territorium zu seinem Besitz. Tanja strich ihren Rock glatt und beugte sich flüsternd zu Daniela, die sich wieder neben sie gesetzt hatte und nun schrill auflachte. Die Clique breitete sich lärmend aus. Der Sonnenball stand schon tief, knapp über den wippenden Spitzen der Rohrkolben. Sämiges Licht zerfloss auf dem Fluss, wo sich Mückenschwärme zu Wolken ballten. Drüben im Dorf läutete die Kirchturmuhr die volle Stunde ein, vier kaum zusammenhängende Schläge, die hohl und verloren klangen, wie vom Ende der Welt. Hannes hievte den Bierkasten ins Wasser. Seine blonden Haare gleißten im Sonnenlicht, der Rotstich flackerte darin wie winzige Flämmchen. Auf Wangen und Schultern waren die Sommersprossen eingeschossen,
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