Moor
verliehen seiner geröteten Haut etwas Schmutziges oder Krustiges, als hätte sich der Staub der Felder darauf abgelegt. Die Mädchen kicherten, als er ins Gesicht und auf die Oberarme Wasser spritzte, das in kleinen Rinnsalen an seinen Flankenherab in die Jeans sickerte und helle Spuren auf der Haut hinterließ. Ein paar der Jungs tauchten weg, nur David Voss pflügte durch den Fluss auf Hannes zu, spuckte aus und sagte: Ich will auch ein Bier. Der zog eine Flasche aus der Kiste und warf sie aufs Wasser hinaus. Bevor sie versank, blitzte das Glas im Gegenlicht auf.
Tanja packte ihre Sachen in die Tasche, der Rest zog die Handtücher, Kassettenrekorder und Fresstüten ein Stück das Ufer hinauf. Hannes knackte die Kronkorken mit einem Feuerzeug und verteilte die Flaschen an seine Kumpels. Als Tanja mit einer Hand am Baum umständlich aufstand und ihren Rucksack schulterte, stellte er sich ihr in den Weg, reichte ihr ein Bier und sagte: Ist doch erst sieben. Die Sonne glitt hinter eine Wand aus Schlierwolken, die sich plötzlich am Horizont türmte. Der Himmel wurde weiß, Tanjas Gesicht bronzefarben, ihre Augen gefährlich blau, wie von Kupfersulfat. Sie schaute kurz zu dir herüber, als suchte sie deine Zustimmung, dann nahm sie die Flasche und setzte sich in den Sand, und bevor sie dir den Rücken zuwandte, war dir, als gäbe es im Dreieck der Blicke einen Moment lang nur Tanja, Hannes und dich auf der Welt.
Das Wasser kräuselte sich im Wind, die Binsen wogten, keckernd flog eine Ente auf, und du hast plötzlich zu frieren begonnen, das T-Shirt übergestreift und dich in dein Buch vertieft. Voss drehte den Rekorder auf volle Lautstärke, die Oberklässler spotteten über die Schlagermusik. Aus den Augenwinkeln sahst du, wie Tanja einen zaghaften Schluck aus der Bierflasche nahm, während in der Runde die Feuerzeuge klickten und Hannes unter den Bäumen Äste für das Lagerfeuer sammelte, die er vor dem mit Steinen abgezirkelten Brandplatz mit Kraft über dem Knie zerbrach.
Im Nachhinein glaubst du, muss das der Anfang gewesen sein. In den folgenden ersten Schulwochen nämlich hast du öfters Hannes’ Mofa aufgebockt am Kirchplatz gesehen, ganz sicher nicht für einen Besuch im Gottesdienst. Als Tanja wegen einer komplizierten Operation erst eine Woche in der Hamburger Spezialklinik, dann eine weitere bettlägerig zu Hause verbringen musste, hat ihre Freundin Danny zwar die Übungsblätter für sie eingepackt. Aber gebracht, Dion, ich sag’s dir besser gleich, hat ihr die Hausaufgaben Hannes Lambert. Noch auf dem Korridor luchste er Daniela die Mappe ab, und der war’s recht, denn seit dem Abend am Jummestrand sind die beiden verzofft.
Vor den Ferien hatte die Bloch-Tochter dem Sohn des Schweinebauern schöne, mit dem Kajalstift noch größer gemalte Augen gemacht, an der Bluse, kaum war sie raus aus der Klasse, zwei weitere Knöpfe geöffnet, was Hannes aber kaltgelassen hat, obwohl Daniela schon mehr zu bieten hat als die immer noch spindelige Tanja. Aber genau das scheint Hannes zu reizen, das Knochige, die Kanten. Als die Hannesclique schon das dritte Bier intus hatte und über der Sandbank der Gestank von verkohlten Würstchen lag, hat Daniela sich am Strand umgezogen, was sonst keines der Mädchen tut, hinter einer mickrigen Birke, die nichts verbarg. Doch Hannes schaute nicht einmal hin. Du hattest ihn gut im Visier, ohne permanent seinem wachsamen Blick ausgesetzt zu sein. In deiner Kuhle hinter dem Baum hast du Danielas Arsch gesehen, das ganze Gebirge, weil sie sich, absichtlich, wie dir schien, beim Bücken in ihrem Slip verhedderte, damit Hannes endlich guckt. Der köpfte ein weiteres Bier und reichte es Tanja. Neben ihr steckte noch die erste Flasche im Sand, halbvoll, erinnerst du dich, denn das Lagerfeuer loderte schon hell, so dass du im Glas den Pegel sahst.
Ob sie sich wegen dir so zurückhielt? Du hast bei dem Gedanken sogar ein wenig Stolz verspürt und dir vorgenommen, die ganze Nacht am Ufer zu hocken, wenn’s sein muss bis zum nächsten Tag – dann könntest du Tanja die Morgentänze der Heidelibellen zeigen. Hannes würde schon gegen Mitternacht besoffen wegratzen, so dass die Stunde der Wahrheit anbricht und du auf deinem Handtuch heranrutschst, dem Konkurrenten vorsichtig die Bierflasche aus der Hand ziehst und sie gegen Tanjas klirren lässt, die jetzt grinst und das Zeug runterkippt, als hätte sie darin Übung. Eine Wolke schiebt sich vor den Mond, die Schatten der Binsen
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