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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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und sich im Schrank stets etwas Wein findet, drückt sie sich in Hannes’ ungeschickte Umarmung. Von wegen Mimose! Vor dir mimt sie das Glasknochenmädchen, bei ihm aber ist sie längst die junge Frau, die weiß, was sie will, nämlich bloß nicht mit Anfang zwanzig unberührt im Rollstuhl enden, oder warum sonst hat sie sich am Jummefeuer ausgerechnet an den herangeschmiegt, der nichts anbrennen lässt. Während der Küster auf der Kirchenempore die Lieder einstudiert, presst Hannes ihr die Hand auf den Mund, um die spitzen Töne zu dämpfen, die aus der Sakristei dringen; oder aus den schon lang nicht mehr gereinigten Pfeifen, denkt der Küster am Manual, der den Kopf reckt, die Ohren spitzt, dabei aus dem Takt gerät und das Kyrie eleison verorgelt, und das, Dion, nicht das bisschen Sturmgeheul aus dem Moor, ist die Symphonie deines Niedergangs.
    Ich dresche auf die Westwand ein, hole dann ein paar Sekunden lang Luft, der letzte Paukenschlag ist dreifach punktiert. In der Pause knackt das alte Gebälk. Dir ist, als schwankte von den Erschütterungen der Wäscheberg auf dem Stuhl. Obenauf liegt das Nachthemd. Nach deiner Flucht aus dem Haus der Lamberts hast du dich den Rest der Nacht schlaflos gewälzt, doch wie du dich auch drehtest, selbst mit dem Kopf am Fußende ist dir der saure Geruch in die Nase gestiegen, war das erste Traumbild der Kollaps deiner Mutter. Irgendwann bist du rüber in ihr kaltes Bett mit dem schwachen Lavendelduft, der im Morgengrauen doch noch den Schlaf gebracht hat.
    Du schnappst das Negligé vom Haufen und drückst dein Gesicht in die Seide. Pellst dich aus dem Schlafanzug und schlüpfst hinein, so dass Margas Geruch dich kühl umarmt. Das Ding sitzt perfekt, bis jetzt hast du dich stets viel kleiner als sie geglaubt. Du wiegst dich in der Taille, streckst das Bein aus, schreitest über den Bettvorleger, als wäre es ein Laufsteg. Auf der Haut spürst du den kalten Luftzug vom Fenster, so stark ist der nächste Windstoß, der am Efeugitter reißt, ich schmeiß mich weg vor Lachen.
    Beleidigt drehst du dich weg und tänzelst ins Bad. Heilloses Durcheinander: Klamotten auf dem Boden, dazwischen die Papprollen vom Klopapier, die zu entsorgen Marga schon immer zu faul war, ein Chaos auf den Armaturen, das Waschbecken mit den ewigen Zahnpastaspuren – ewig, weil du keinen Sinn darin siehst, sie wegzuwischen, wenn du dir, wieMarga befiehlt, dreimal am Tag die Zähne putzen sollst. Da sie das nicht einsehen will, hast du neuerdings das Waschbecken in Territorien unterteilt: Du spuckst links, sie rechts, und beim Saubermachen spart sie deine Hälfte aus.
    Du quetschst an einem Pickel zwischen den Brauen, lediglich ein wenig Gewebswasser quillt hervor. Warte noch einen Tag, hätte sie gesagt, und ihr Blick wäre dabei schon ganz gierig gewesen. Sie hat dir nicht nur ständig und überall den Kuss, auch jeden Pickel aufdrücken dürfen, du musst dafür, wann immer nötig, der Seelentröster sein, das ist der Deal.
    Schnell etwas von ihrem Puder draufgetupft, ein Beigebraun wie von Sommerbräune, die Farbe wirkt zu gesund. Der Kajalstift schafft Abhilfe. Die Mine rutscht aus und malt einen schwarzen Strich auf die Wange. Mit der Fingerkuppe verrieben, wird er zum Augenschatten, der nach Schlaflosigkeit aussieht und nach Trauer um die abtransportierte Mutter. Mit ihrer Bürste kämmst du dir die Haare mal nach rechts, mal nach links, kriegst das Verwegene und Windgeblasene von Hannes’ Frisur dennoch nicht hin. Nimm die Spange!, rufe ich vom Fenster. Du steckst das Nackenhaar am Hinterkopf fest, in der Art, wie sie es am Teich immer getan hat. Ein paar Büschel stehen ab, nicht gerade sturmdurchweht, aber schon besser.
    Im Spiegel siehst du deine mit Grind überzogenen Lippen. Es muss ein gemeinsames Gen sein, das euch bei Kummer den Mund verstümmeln lässt, eine Unsitte, hässlicher als Fingernägelkauen. Nur das Schlechte hast du von deiner Mutter geerbt. Wie gern hättest du ihr blondes, dickes Haar, Lamberthaar fast, wenn sie das Lockige daran nicht dauernd mit dem Brenneisen bekämpfen würde. Da aber bist du leerausgegangen, obwohl doch tief in deinem Körper, denkst du, eine bäuerliche DNA zumindest schlummern muss.
    Du blickst wieder zum Fenster, wo der Schnee an der Scheibe klebt; unablässig dränge ich zu dir ins Haus. Willst du wirklich mehr über dein Erbgut wissen, die Eigenschaften deines Vaters? Besser, du glaubst den Geschichten aus dem Dorf, so hast du wenigstens noch die

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