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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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heranrollt. Der Junge kämpft sich gegen die Böen hin zum Haus, das nun auf der anderen Seite des Bildes erscheint, am Ende des Heidedamms, der zwischen den Schneeverwehungen hindurch wie ein Tunnel darauf zuführt. Gleich, denkt er, wird Marianne ihn eingeholt haben, am Arm packen und abermals mit sich zerren, vom Haus zurück zum Bauernhof, und dann immer und immer wieder die gleichen Bilder, das Kind an der Hand der Tante, dann am Butterkuchen, am Milchbecher, später, weil es noch immer schweigt, büßend vorm Kreuz und schließlich, weil auch das nicht hilft, sich windend und krümmend unterm Teppichklopfer, der den Sturkopf schon noch zum Reden bringen, die Wahrheit aus ihm herausklopfen wird.
    Das Haus ist beinahe ausgelöscht, das sichere Daheim kaum mehr zu erahnen, die Sehnsucht nach Wärme, Schlaf undfesten, altbewährten Formen vergraben im Schnee. Er läuft darauf zu, mit gegen den Sturm gestemmter Stirn hinein in den Schlund, der ihn im nächsten Moment schon verschluckt hat. Nur meine Stimme dringt noch daraus hervor, wogend und walzend, der weiße Gesang.
    An dieser Stelle des Traums musst du erwacht sein. Die Bilder der letzten Nacht klingen noch nach, stacheln dich mit ihrem schrägen Echo. Das nächste Crescendo, Windstärke 9, reißt die Dachrinne aus der Schelle, du springst aus dem Bett. Im Fenster der stürzende Schatten, doch du wartest vergebens auf den Aufprall, erkennst draußen nur noch ein paar verlorene Formen: die Weiden am Drän ausgedünnt, Wallhecken begraben unter sanften Hügeln, ganz hinten der Schweinehof wie das Relief einer bald eingeebneten Welt. Wo der Heidedamm verlief, stäuben Schneeschlieren von den Abbruchkanten der Verwehungen in den Graben, der sich als flache Rinne im Nichts verliert. Immer mehr Schnee wälzt sich aus der Ebene auf das Dorf zu, verschalt die Baumstämme, türmt sich an Böschungen und Treckerrampen. Auf den Torfrippen am Stich kratze ich die Grasnarbe frei, um den Abhub woanders gegen alles zu häufen, was noch ragt und steht. Vom Teich aus gesehen ist das Haus die einzige Erhebung weit und breit, dein Leben darin noch das Wehrhafteste, das sich mir in den Weg stellt. Ich spiele Krieg. Auf dich habe ich es abgesehen. Noch ein paar Böen, der unüberwindbare Schneeberg vor der Tür, quer liegende Bäume auf der Zufahrt, dann habe ich dich endgültig ins Abseits gedrängt. Selbst der Trecker mit dem vorgespannten Pflug hätte Mühe, durch die Verwehungen, die wie Schratten die Landschaft zerklüften, zu dir vorzudringen.
    Doch den Teufel wird Karl Lambert tun, dich hier rauszuholen. Er sitzt in der Stube, starrt zum Fenster und pafft eine der billigen Zigarren aus Ilse Blochs Laden. Am frühen Morgen habe ich eine Dachplatte vom Stall gerissen, eine Sau hat’s erwischt, als das Wellblech herunterkam. Er musste notschlachten, die übrigen Tiere in den Nachbarstall treiben, der auch nicht orkansicher ist; morsche Balken, geflickte Wände, alles zu eng und überstrapaziert, er braucht, denkt er, dringend den Heidedamm, die neuen Masthallen nach holländischem Vorbild, mit Stahlpferchen und Gitterböden, und dann statt zweihundert Schweinen zweitausend, der Antrag auf Zuschuss liegt beim Landwirtschaftsministerium, er wartet auf grünes Licht.
    Schau doch wenigstens nach, ob die Fenster drüben dicht sind, sagt Marianne und stellt ihm den Pott hin. Karl führt ihn zum Mund, hätte sie halt mal den Glaser geholt. Er spuckt den Kaffee zurück, sag mal, willste mich verbrühen? Marianne schiebt ihm das Milchkännchen rüber. In der Scheune, tadelt sie, kleben schon seit Jahren die Pappen. Da verrosten dir die Maschinen. Karl kippt Milch nach, soll der Sturm doch den Schuppen plattmachen, erwidert er, dann muss ich’s nicht selber tun. Sie macht eine abfällige Handbewegung, steht auf, geht in die Küche und kommt mit einem Karton voller Lebensmittel zurück. Bring ihm das rüber, und sie stellt die Kiste auf den Tisch, wenn er schon nicht hierbleiben will. Karl blickt fragend auf. Sie wollen Marga morgen in die Nervenklinik überstellen, sagt sie, da kommt die so schnell nicht wieder raus. Sie schiebt ihrem Mann die Vorräte hin, packt den in Alufolie gewickelten Rest vom Butterkuchen dazu. Und wir sollen ihn jetzt durchfüttern? Er wühlt in den Sachen, fischt eine Tafel Marzipanschokolade heraus, das mögen die Kinder nicht, rechtfertigt Mariannedie Verschwendung. Schließlich ist er dein Neffe! Karl steht auf, geht zur Treppe, sagt: Mein Rücken, ich leg

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