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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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Ich habe schreckliche Angst, dass er deinem Vater so etwas antut wie diese anderen, und ich habe keine Ahnung, wie man ihn aufhalten soll …«, Christopher wedelte mit dem Messer herum und fuhr unbestimmt fort, »… wenn er … anfängt zu glühen …«
    Christopher befürchtete, es könnte etwas Ähnliches passieren wie in jener Nacht mit den Inquisitoren und ihrem Opfer. »Ist schon gut.« Wynter legte ihm die Hand auf den Arm. »Gewöhnlich tun Geister Menschen nichts zuleide.« Trotz ihrer Beteuerungen zögerte sie noch immer, einen Blick in Lorcans Kammer zu werfen.

    »Ach ja?«, knurrte er trocken. »Sag das doch dem rohen Fleisch, das wir vor ein paar Tagen im Kerker zurückgelassen haben.« Er schüttelte ihre Hand ab und setzte die argwöhnische Überwachung des Gespenstes fort.
    Wynter atmete tief ein, beugte sich weit über ihn und stützt ihr Kinn auf seinem Scheitel ab, während sie um den Türstock herumspähte. Als sie die Erscheinung erkannte, stieß sie ein Quieken aus, und Christopher zuckte zusammen. Mit einem Aufschrei versuchte er, sie daran zu hindern, in die Kammer zu laufen.
    »Nein!« Er hielt sie am Handgelenk fest und zog sie von der Tür weg. Der fehlende Mittelfinger fühlte sich merkwürdig auf ihrem Arm an, doch für einen so schlanken Mann war er verblüffend stark.
    »Ist schon gut, Christopher«, wiederholte sie.
    Sie kauerte sich neben ihn, damit er den Kopf nicht in den Nacken legen musste. Dann versuchte sie behutsam, den eisernen Klammergriff seiner Finger zu lösen. »Ich kenne ihn! Er wird mir nichts tun.«
    Christophers Blick wanderte zweifelnd zurück in Lorcans Kammer.
    Lorcan schlief immer noch, er lag in Nachthemd und Übermantel auf der Decke, das lange Haar auf dem Kissen ausgebreitet wie Blut. Rory Shearing stand am Bett. Er betrachtete den Schlafenden mit einem Ausdruck, der Groll oder auch Kummer sein konnte – es war schwer zu deuten.
    Lass ihn keinen Vorboten sein, dachte Wynter. Bitte, lass ihn nicht gekommen sein, um Vater zu holen .
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, flüsterte Christopher: »Was will er hier?«
    Langsam stand Wynter auf. Christopher hielt ihr Handgelenk
noch einen Augenblick fest, dann ließ er endlich los. Leise betrat sie das Zimmer ihres Vaters und stellte sich ans Fußende seines Bettes.
    »Hallo, Rory«, sagte sie.

Alte Lieder
    G eister schenkten dem, was sie nicht unmittelbar betraf, selten Beachtung, daher nahm Rory überhaupt keine Notiz von Wynter. Zu Lebzeiten war er etwa fünfzehn Jahre älter als ihr Vater gewesen, doch Rory war vor so langer Zeit gestorben, dass Lorcan aufgeholt hatte. Inzwischen waren sie ungefähr im gleichen Alter.
    Rory neigte den Kopf, und das Licht fiel in einem anderen Winkel auf sein durchsichtiges Gesicht. Nun sah man, dass er Lorcan mit ungeheurer Zuneigung und Mitgefühl betrachtete. Die Überzeugung, Rory wäre ein Vorbote, stieg in Wynters Kehle auf wie bittere Galle. Hinter ihr versuchte Christopher aufzustehen, und sie forderte ihn gedämpft auf, zu bleiben, wo er war. Er musste sich durchgerungen haben, ihr zu gehorchen, denn sein empörtes Keuchen und Murmeln brachen abrupt ab. Sie sah sich um und musste lächeln: Er funkelte Rory finster an, den nutzlosen Dolch vor sich ausgestreckt, um Wynter zu verteidigen, falls der Geist sie angreifen sollte.
    »Wer ist das?«, flüsterte Christopher.
    »Das ist Rory Shearing«, gab sie leise zurück. »Er war der Befehlshaber meines Vaters während der Haun-Invasion, als Jonathons Vater noch herrschte. Ein großer Krieger und ein guter Mensch. Mein Vater schätzte ihn sehr. Er führte die Verteidigung am Bronze-Pass an, musst du wissen.«

    Es war nicht ausgeschlossen, dass Christopher von der Schlacht am Bronze-Pass gehört hatte, doch in seiner Miene flackerte kein Anzeichen von Wiedererkennen auf. Warum auch? Zur Zeit der Invasion konnte Christopher nicht älter als drei Jahre gewesen sein, weit nördlich in Hadra. Der kurze, schreckliche Krieg, der dieses ferne Südland bedroht hatte, war offenbar nicht bis zu ihm vorgedrungen.
    »Rory, Jonathon und mein Vater schlugen mit einer Handvoll Männern die Letzten der Haunardier zurück«, erklärte sie. »Rorys Männer waren zahlenmäßig weit unterlegen, mangelhaft ausgerüstet und standen mit dem Rücken zur Wand: Durch das schlechte Wetter war ihnen der Rückzug abgeschnitten, und sie waren halb verhungert. Trotzdem besiegten sie den Feind, unterbrachen seine Versorgungswege und kehrten innerhalb

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