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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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seinen Sohn bedrohte.
    In wenigen Augenblicken gäbe es kein Zurück mehr.
    Unbemerkt von allen stellte sich Lorcan in den Türrahmen. Er richtete sich zu voller Größe auf, ließ Wynters Schulter los und donnerte: »Was macht ihr da mit meinen Männern ? «
    Lorcan konnte ohrenbetäubend brüllen, wenn er wollte. Schlagartig wurde es totenstill im Raum. Die Soldaten drehten sich mit weit aufgerissenen Augen zu ihm um. Sie erholten sich allerdings schnell wieder, und einen kurzen Moment lang glaubte Wynter, Zorn in ihren Augen aufflackern zu sehen: Für wen zum Henker hält sich dieser Tischler? Einer trat sogar schon vor, eine schneidende Entgegnung auf den Lippen. Doch der Wachposten vom Tor erkannte ihren Vater und nahm Haltung an.
    »Hoher Protektor Moorehawke! Wir haben zwei dieser Herumtreiber dabei erwischt, wie sie sich ohne Papiere aus der Burg schleichen wollten. Als wir sie aufforderten, sich
zu erklären, Herr, flohen sie, und wir nahmen die Verfolgung auf.«
    Dem Himmel sei Dank! Also keine fortgesetzte Säuberung, keine vom König angeordnete Festnahme. Nur ein überstürzter, missglückter Fluchtversuch.
    Wynter bemerkte, dass die Lehrlinge ihren Vater mit gro ßen Augen anstarrten. Das war er also! Der Held jedes jungen Handwerkers! Der Tischler, der niedere Arbeiter, dem König Jonathon persönlich Titel und Macht übertragen hatte. Der glorreiche Hohe Protektor Lorcan Moorehawke – er, der das Leben des Königs gerettet hatte, als sie beide noch Knaben waren. Verehrung blitzte aus den tränenüberströmten Gesichtern der Jungen, und Wynter betete, dass ihr Vater der Herausforderung, ihr Leben zu retten, gewachsen war.
    Nur Pascal schien zu bemerken, wie schrecklich bleich Lorcan war, die leicht gebeugten Schultern, das Zittern seiner Hände. Sie entdeckte Bedauern in seiner Miene. Während er hinter der Gruppe verharrte, ließ er die Waffe sinken und betrachtete Lorcan über die Köpfe der anderen hinweg. Wynter konnte nicht einschätzen, ob seine Traurigkeit Lorcans Leiden geschuldet war oder der Erkenntnis, dass das Schicksal seiner Jungen auf den Schultern eines sterbenskranken Mannes lastete.
    Mit kaltem Blick musterte Lorcan die Lehrlinge; er setzte darauf, dass sie noch nicht dazu gekommen waren, sich irgendwelche Ausreden auszudenken. »Ich habe euch doch gesagt, dass ihr auf eure Papiere warten sollt, ihr Tunichtgute! Was habt ihr euch dabei gedacht?«
    Die Jungs schluckten und sahen verunsichert die Soldaten an.
    »Ver-verzeiht, Herr …«, antwortete Gary geistesgegenwärtig. »Wir haben es vergessen.«

    Jerome stand einfach nur mit großen runden Augen da, seine Lippen bebten.
    Reiß dich zusammen, dachte Wynter. Reiß dich zusammen. So ist es brav .
    »Vergessen? Vergessen? « Bei Lorcans neuerlichem Gebrüll schraken alle zusammen. Einer der Kleinsten heulte wieder los, doch Wynter hätte schwören können, dass sie Meister Huettes Mundwinkel hatte zucken sehen. »Wir werden ja sehen, ob ihr auch noch vergesst, wenn ich euch einen Tag von eurem Lohn kürze, du einfältiger Tropf!« Lorcan kam mit zwei großen Schritten in den Raum und deutete auf die Soldaten, die sich mit hämischem Grinsen über die feuerroten Gesichter der Jungen freuten. »Glaubst du etwa, diese guten Männer haben nichts Besseres zu tun, als Flöhe zu jagen? Entschuldigt euch gefälligst!«
    Sofort drehte sich Gary steif und benommen zu den Wachen um. Verängstigt stotterte er: »Verzeihung, Ihr guten Herren. Wir wollten Eure Zeit nicht vergeuden.«
    Jetzt wandten die Soldaten ihre barschen Mienen Jerome zu, den sie immer noch an den Armen festhielten. Man sah, dass er sich bemühte, einen Laut durch seine vor Furcht zugeschnürte Kehle zu würgen, doch es kam lediglich ein angstvolles Pfeifen heraus. Die Wachen lachten, einer von ihnen schüttelte den Jungen.
    »Sag, dass es dir leidtut, du Heulsuse!«
    »Ihr dürft wegtreten.« Lorcans Befehl war kalt und durchschnitt die Erheiterung der Soldaten wie eine Metzgerklinge. Sie begriffen sofort, dass sie zu weit gegangen waren: Das hier waren die Männer des Hohen Protektors – er und nur er hatte das Recht, sie zu maßregeln. Also ließen sie Jerome los und nahmen mit unbewegter Miene Haltung an. »Beim nächsten Mal«, erklärte Lorcan, »werden meine Jungen ihre Papiere
dabeihaben, und es wird nicht nötig sein, dass Ihr Eure Posten verlasst, um ehrliche Zunftgenossen zu verfolgen.« Er machte eine herrische Geste, woraufhin die Soldaten salutierten und die

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