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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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    Stille senkte sich über den Raum. Einen Moment lang betrachtete Lorcan mit leerem Blick noch die Tür. Wynter trat zu ihm. Seine Augen waren sehr schwer, er wirkte abwesend.
    Da drang sachte Pascal Huettes Stimme zu ihr durch: »Hol dem Protektor einen Stuhl, Gary. Gary – einen Stuhl für den Hohen Protektor.«
    Man hörte ein Schaben und gedämpfte Schritte, als Gary zusammen mit einem der älteren Lehrlinge einen der Lesesessel heranschleppte und leise hinter Lorcan abstellte. Dann zogen sie sich an die Seite ihres Meisters zurück und sahen zu, wie Wynter ihrem Vater die Hand auf die Brust legte.
    »Protektor«, sagte sie. »Die Lehrlinge bitten dich, ihnen die Ehre zu erweisen, Platz zu nehmen.«
    Lorcan sah erst Wynter an, dann den Kreis schüchterner Gesichter. »Ihr Tölpel«, sagte er ohne eine Spur Erheiterung oder Wohlwollen. »Warum habt ihr nicht gewartet, wie mein Lehrling es euch auftrug?«
    Neugierige Augen richteten sich auf Wynter. Sie entdeckte Verwirrung darin, gemischt mit einer Prise Scham und einer noch größeren Prise Misstrauen. Gary und der ältere Lehrling senkten die Köpfe, die kleinen Jungen gafften weiterhin mit offenen Mündern. Jerome starrte fortwährend auf den Fußboden. Er sah aus, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Pascal wandte die Augen nicht von Lorcan ab.
    »Wollt Ihr uns nicht die Ehre erweisen, Euch zu setzen, Herr?« Die Stimme des alten Mannes war sanft, jedoch ohne gefährliches Mitleid.
    Lorcan drehte sich halb zu dem Stuhl um, den er mit eigenen
Händen geschnitzt hatte. Er zögerte, ganz so, als überlegte er, das Angebot abzulehnen. Doch Wynter wusste, er schätzte nur ab, ob er sich niederlassen konnte, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Er wandte sich wieder den Lehrlingen und ihrem Meister zu und zuckte die Achseln, als wollte er sagen: Ach, warum eigentlich nicht, wenn er schon dasteht . Steif nahm er Platz, bemühte sich um eine stattliche und dennoch nicht zu kraftraubende Haltung. Wynter positionierte sich hinter ihm. Unter dem Gewicht eines doppelläufigen, grünäugigen Moorehawke-Blicks schrumpften die Tischler leicht in sich zusammen.
    »Nun?«, knurrte Lorcan. »Mein Lehrling hat euch in meinem Namen unmissverständlich angewiesen, euch nicht vom Fleck zu rühren und auf mich zu warten. Was zum Henker habt ihr euch dabei gedacht, wie die Hasen vor den Soldaten des Königs herumzuhoppeln?«
    Pascal schwieg, offenbar hatte er nichts dagegen, dass Lorcan seine Lehrlinge ausschalt – oder vielleicht fühlte er sich auch selbst angesprochen. Gary trat verlegen von einem Bein aufs andere, hob den Kopf und ließ ihn wieder sinken. »Sie ist zu dem Araber gegangen«, murmelte er. »Sie ist gar nicht zu Euch gegangen.«
    »Gib gut acht, junger Mann«, zischte Lorcan und reckte den Kopf wie eine Schlange, die eine Maus entdeckt hat. »Wenn du das nächste Mal einer Frau vom Rang der Protektorin nachspionierst, dann bete, dass sie so diskret ist wie meine Tochter. Hätte die Hohe Protektorin deine Anwesenheit verraten, so hätten dich die Soldaten gepackt, in kleine Würfel geschnitten und an die Hunde verfüttert.«
    Gary schielte verstohlen zu Wynter, und sie bedachte ihn mit einem kühlen Blick.
    Schonungslos fuhr Lorcan fort: »Getan hätten sie es, weil
der König es so verfügt hätte. Selbst dieser gute Mensch – seine Hoheit, der königliche Prinz Razi – hätte dich dann nicht retten können. Und weißt du auch, warum?«
    Gary blinzelte und schüttelte den Kopf.
    »Der Grund, warum Seine Hoheit, der königliche Prinz Razi, dir nicht hätte zu Hilfe eilen können, ist, dass der Prinz vor dem König ebenso machtlos ist wie du oder ich. Begreifst du, was ich dir erkläre?« Lorcan ließ den Blick von Gesicht zu Gesicht wandern, bis er bei Pascal verharrte. »Begreift Ihr es?«, fragte er Meister Huette. »Der königliche Prinz Razi ist dem Gesetz nach ein Untertan des Königs. Ein Untertan . Er gehorcht seinem Willen.«
    Plötzlich schien Jerome aus einem schlimmen Traum zu erwachen; mit rot geränderten Augen blickte er Lorcan an, als sähe und höre er ihn zum ersten Mal. Dann stieß er einen langen, zitternden Atemzug aus. »Wollt Ihr uns etwa erzählen, dass dieser heidnische arabische Bastard nicht überglücklich ist, dass er seinen Hintern auf den Thron pflanzen darf? Wollt Ihr uns das erzählen, Herr?«
    Sein Meister und die anderen Lehrlinge schluckten heftig in Anbetracht dieser Dreistigkeit, doch keiner machte

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