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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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die halbe Nacht auf den Beinen gehalten haben, um das ganze Wasser zu erhitzen.
    »Sind wir bald fertig?«, flüsterte eine der wartenden Mägde den anderen zu, die gerade aus der Tür traten, die leeren Eimer hohl gegen das Joch klappernd.
    »Ja, Dank sei dem Herrn. Ihr seid die Letzten. Ist doch lächerlich – ein Bad um diese Uhrzeit! Hätte er nicht das Badehaus benutzen können wie alle anderen im Palast?«
    Die beiden bemerkten Wynter und zogen schweigend die Köpfe ein, als sie vorüberging. Razi sollte vorsichtig sein, dachte sie. Die Leute werden behaupten, dass er zum Tyrann wird . Es
wollte so gar nicht zu ihm passen, solch ungebührliche Anforderungen an die Dienerschaft zu stellen, dass Wynter an der Ecke verunsichert zögerte und überlegte, ob sie nicht nach ihm sehen sollte. Doch sie entschied sich dagegen und setzte ihren Weg Richtung Haupttreppe fort.
    In der Küche herrschte großer Trubel, und Marni knurrte etwas von »gewissen Leuten, die sich zu fein sind, im Saal zu speisen«. Doch sie stellte ein üppiges Frühstückstablett für Wynter und Lorcan zusammen und rührte einen ordentlichen Schluck Sahne in den Kaffeekrug.
    »Ab mit dir«, kommandierte sie knapp und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem von ihr dirigierten Tumult zu.
    Das Tablett war schwer, Wynter trug es langsam und vorsichtig. Allmählich erwachte der Palast, die Gänge summten leise vom frühmorgendlichen Treiben der Pagen, Mägde und Diener, die die Kaminfeuer schürten und das Schmutzwasser ausleerten. Geschmeidig wand sich Wynter zwischen ihnen hindurch.
    Als sie von der Hintertreppe nach rechts in den kleineren Gang bog, sah sie zwei Mägde mit hoch aufgetürmten Stapeln sauberen Leinens auf den Armen, die erbleichten und wie angewurzelt stehen blieben. Im Vorübergehen bemerkte Wynter, dass sie den Blick an ihr vorbei auf die Gabelung am Ende des Flurs gerichtet hatten. Was die beiden dort auch entdeckt haben mochten, es entsetzte sie. Lautlos schoben sie sich rückwärts in eine tiefe Nische, wie um sich unsichtbar zu machen. Sie wirkten erschüttert, und eine konnte die Tränen nicht zurückhalten – sie kullerten ihr über die Wangen und tropften auf das sauber gefaltete Leinen.
    Jäh attackierte ein widerlicher und grausig vertrauter Geruch Wynters Nase; in einer mächtigen Woge holten die ganzen Ereignisse des gestrigen Tages sie wieder ein. Jetzt erst erinnerte
sie sich plötzlich zitternd an das eine, an das sie heute Morgen überhaupt noch nicht gedacht hatte. Schuldbewusste Tränen stiegen in ihr auf. Wie? Wie hatte sie es nur vergessen können? Sie biss sich auf die Lippe.
    Am Ende des Gangs marschierten zwei Soldaten aus Jonathons Leibgarde auf sie zu. Sie passten ihre Geschwindigkeit der ihres Gefangenen an, und das ging ihnen sichtlich zu langsam. Zwischen ihnen taumelte Christopher, und obwohl sich Wynter alle Mühe gab, entschlüpfte ihr ein leiser Aufschrei.
    Seine Hände waren vor dem Körper gebunden und mit einer Kette an der Taille befestigt. An den Füßen befanden sich lederne Fesseln, und er schlurfte wie ein Greis, als bereitete ihm jede Bewegung Schmerzen. Beide Augenlider waren geschwollen und blau, den Kopf hatte er steif in den Nacken gelegt, die Augen ob des hellen Lichts zu Schlitzen verengt. Er atmete vorsichtig durch den halb geöffneten Mund, die Nase war von verklumptem Blut verstopft. Die gesamte untere Gesichtshälfte war rötlich braun verschmiert, das lange Haar durch Blut, Dreck und Schweiß verklebt. Seine Kleider starrten vor Schmutz und waren voller dunkler Sprenkel.
    Je näher Christopher kam, desto unerträglicher wurde der Gestank. Schaler Urin und feuchtes, modriges Stroh: der unverkennbare Geruch einer Kerkerzelle. Alle Gefangenen rochen so, gleich, wo man war, doch Christophers Gestank war besonders abstoßend. Sie mussten ihn in das übelste Loch geworfen haben, das sie hatten finden können. Die beiden Mägde vergruben die Nasen tief in ihren Leinenbündeln.
    Er sah sie nicht, als er vorbeitrottete. Wynter dachte, dass er durch die fast geschlossenen Augen womöglich gar nichts sehen konnte. Selbst dieses trübe Licht schien ihn zu quälen.

    Am Fuße der Treppe zum Mittelgang drehten sie ihn unsanft zur Seite, und er stolperte in der Fußfessel, als er den ersten Schritt machen wollte. Die Wachen kümmerten sich nicht um Christophers unterdrückten Schmerzensseufzer. Sie packten ihn einfach an den Ellbogen, und einer von ihnen befahl barsch: »Fuß hoch.« Sie warteten,

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