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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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bis sein tastendes Bein die Stufe gefunden hatte, dann zogen sie ihn mit einem groben Ruck hoch. Er ächzte, fand das Gleichgewicht wieder und tastete mit dem Fuß nach der nächsten Erhöhung. »Hoch«, instruierte der Soldat wieder, und so ging es die ganze Treppe hinauf.
    Als sie endlich oben ankamen und um die Ecke bogen, zitterte Wynter so heftig, dass sie das Tablett auf dem Boden absetzen und einen Moment auf den Knien liegend ausruhen musste, die Hände fest ineinander verflochten, um sich wieder zu beruhigen. Die beiden jungen Mägde versteckten sich nach wie vor in der Nische, starrten ins Leere, sprachen kein Wort. Als Wynter nach einer Weile das Tablett wieder aufhob und den Weg in ihre Kammer fortsetzte, standen sie immer noch dort.
    Sie nahm die hintere Wendeltreppe, um auf dem Hauptgang nicht noch einmal Christopher begegnen zu müssen. Sie wollte nicht sehen, wie die Leute ihn anblickten – mit dieser Mischung aus Triumph und Mitleid.
    Warum hatten sie ihm die Fesseln nicht abgenommen? Und wieso hatten sie ihn nicht heimlich zurückgebracht? Wynter stöhnte. Warum stellte sie sich überhaupt derlei Fragen, wenn sie doch die eine und einzig wahre Antwort darauf längst kannte: All das geschah auf Jonathons Befehl, um Christopher zu demütigen, allen anderen eine Botschaft zu übermitteln und Razi in seine Schranken zu weisen.
    Als Wynter endlich ihr Quartier erreichte, war ihre Miene
beherrscht und ihre Hände zitterten nicht mehr. Aus Razis Gemächern war kein Laut zu hören, Christophers stinkende Kleider lagen auf einem Haufen vor der geschlossenen Tür. Jonathons Soldaten waren fort, die Wachen im Gang beobachteten teilnahmslos, wie sie durch die Tür schlüpfte.
    Sofort ging sie in die Schlafkammer ihres Vaters. Er war wieder eingeschlafen, weshalb sie das Tablett auf dem Nachttisch abstellen und leise gehen wollte.
    »Wo willst du hin, meine Kleine?«
    »Ich dachte, du schläfst.« Sie kniete sich an sein Bett.
    Er legte die Stirn in Falten, seine Augenlider flatterten. Wynter konnte sehen, dass er sich abmühte, sie wieder zu öffnen. »Dieser verfluchte Razi und seine Schlafmittel.«
    Daraufhin musste Wynter kichern. »Das wird ihn aber ärgern. Eigentlich hättest du mindestens bis zum Mittag schlafen sollen.«
    Lorcan räusperte sich und machte Anstalten, sich aufzusetzen, doch sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Vater, sie haben Christopher zurückgebracht. Ich möchte nach ihm sehen, dann komme ich zurück und frühstücke mit dir, einverstanden?«
    Plötzlich war sein Blick klar und wachsam. »Hast du ihn gesehen? Den Hadraer?«
    Wynters Reaktion erschreckte sogar sie selbst. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die Lippen begannen albern, geradezu mädchenhaft zu beben, und sie musste die Hände zu Fäusten ballen, um einen erneuten Anfall von heftigem Zittern zu unterdrücken. Fest biss sie sich in die Wange und nickte.
    »Schätzchen«, brummte Lorcan. »Du solltest dich von diesem Jungen fernhalten.«

    »Aber ich will nur …«
    »Das weiß ich, aber es wäre gefährlich, sich auf ihn einzulassen, mein kleines Mädchen.«
    Entsetzt straffte sie die Schultern. »Aber Vater! Ich bin doch nicht …« Empört rieb sie sich die Augen und wischte die Nase am Ärmel ab. »Ich habe doch keine Gefühle für ihn! Es ist nur … Er ist Razis Freund. Und er ist ein guter Mensch. Ich …«
    »Es ist ja in Ordnung, Gefühle zu haben, mein Liebling. Doch du solltest dir lieber jemanden aussuchen, der weniger … Dieser Bengel hat hier keine Zukunft, das weißt du.«
    Und wir?, dachte Wynter unvermittelt. Haben wir hier eine Zukunft? Laut sagte sie: »Ich gehe nur nachsehen, ob sie etwas brauchen. Ich bin gleich zurück.«
    Doch Lorcan hielt ihre Hand fest, als sie aufstand. »Wyn …« Er suchte nach Worten. »Er … der Hadraer … er hat offensichtlich einiges durchzustehen gehabt. Manchmal, wenn ein Mann Schlimmes erlebt hat, kann er … Wenn er dann endlich in Sicherheit und ohne Augenzeugen ist, verhält er sich möglicherweise auf eine Art, die er vor einer Frau nicht zeigen möchte.«
    Der Unmut war ihm anzusehen – er konnte dieser plötzlich erwachsenen Ausgabe seiner Tochter nicht richtig erklären, wie unmännlich sich Christopher fühlen musste, wenn sie seine Schwäche sah. Wynter ihrerseits war bestürzt über seine Verlegenheit und auch darüber, dass er sie gerade als »Frau« bezeichnet hatte.
    »Ist schon gut.« Verunsichert tätschelte sie ihm die Hand. »Ich bin ja

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