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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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Wahnsinnigen, einen blutrünstigen Rüpel, einen gefährlichen Tyrann. Jonathon konnte alles aus Alberon machen, denn die meisten seiner Untertanen hatten ihn noch nie mit eigenen Augen gesehen, hatten sein Gesicht oder sein wahres Wesen nie gekannt. Armer Albi! Schon bald wäre er ein Nichts, oder schlimmer noch: Er würde zu einem Ungeheuer verformt.
    Jusef Marcos’ letzte Worte fielen ihr plötzlich wieder ein: Seine Hoheit, der königliche Prinz Alberon! Es war Prinz Alberon!
Er schickte die Nachricht, dass ich Euch töten soll! Damit konnte sie sich nicht abfinden. Konnte ihrem Bild des ungestümen, überschäumend herzlichen, stets lebhaften und sonnigen Alberon nicht die Fratze eines bösen, hinterhältigen, ränkesüchtigen Mannes überstülpen, der sich im Schatten verbarg und gedungene Mörder aussandte, um seinen geliebten Bruder zu töten. Wynters Augen füllten sich mit Tränen – sie musste sich auf die Zunge beißen. Sie betrachtete das Grüppchen Jungen, das sich neugierig im Raum umsah und zu entschlüsseln versuchte, wer in den zahlreichen Schnitzereien denn nun wer war.
    Sie atmete tief durch und sagte dann schroff: »Nun denn – welche Aufgaben hat euer Meister euch zugeteilt?«
    »Was kümmert’s dich, Weib?«, erwiderte der Vorlaute mit dem borstigen Schopf unverschämt.
    Da versetzte ihm der Älteste einen Klaps auf den Hinterkopf. »Es reicht, Jerome. Nimm dir dein Werkzeug und fang mit dem Fries hinten in der Ecke an, wie man es dir aufgetragen hat.«
    Einen Augenblick lang glotzte Jerome seinen Kameraden mit offenem Mund an. Doch der Ältere wich seinem Blick nicht aus, und schließlich errötete der Junge und schlurfte davon. Auch der andere Lehrling im dritten Jahr schlich weg, und die beiden Kleinsten hopsten von einem Fuß auf den anderen, als müssten sie sich dringend erleichtern.
    »Und was sollen wir machen, Gary?«, quengelte einer von ihnen.
    Gary verdrehte die Augen. »Könnt ihr denn nie zuhören, ihr kleinen Nichtsnutze? Da rüber zu den niedrigen Regalen mit euch. Rollt schon mal euer Werkzeug aus, ich komme gleich.«
    Gehorsam trollten sich die beiden Jungen, und Wynter hörte,
wie sie sich schubsten und kicherten. Dann blickte Gary sie mit ernster Miene an. Er sprach leise, und Wynter glaubte, Mitgefühl herauszuhören. »Es tut mir weh, diese Arbeit zu tun«, bekannte er aufrichtig. »Dein Meister hat hier solche Schönheit geschaffen. Eine Sünde ist das, so etwas zu zerstören.«
    Sie sah ihm in die sanften Augen und schwieg. Da grinste er sie mit einem Mund voller fauliger Zähne an. »Das hast du gut hingekriegt mit den Jungs«, lobte er, und sie erlaubte sich einen Anflug von Lächeln in den Augen. »Und jetzt bringe ich dich mal zu meinem Meister, einverstanden?«
    Wynter nickte, und Gary führte sie zu Pascal Huette, der zwischen den Bücherregalen verborgen gewartet hatte. Er war ein kleiner Mann, drahtig und grau, mit kantigem Gesicht und hellen Augen, die aus einem dichten Nest von Falten hervorblitzten. Im Laufe des Tages sollte Wynter feststellen, dass seine Lehrlinge ihn verehrten und dass Gary in Wahrheit sein Sohn war.
     
     
     
    Die nächsten Stunden verbrachten sie damit, die Friese und Schnitzereien zu begutachten, wobei Wynter erklärte, was getan werden sollte. Pascal Huette hatte anfangs angenommen, dass Alberon und Oliver durch andere Motive ersetzt werden sollten – einen Baum, ein Pferd, irgendetwas, um die Lücken zu füllen. Als Wynter erklärte, dass laut Lorcans Anweisung die Figuren einfach nur abgeschliffen und ein klaffendes Loch in den Bildern belassen werden sollte – ein deutlich sichtbares, grelles Fehlen -, sah Pascal sie nachdenklich an.
    »Er möchte keine Ergänzungen?«
    »Nein, Meister Huette.«
    »Nichts, um die Lücken zu verschleiern?«
    »Nein.«

    Sie zog den Brief hervor und wartete geduldig, bis er ihn langsam und mühevoll gelesen hatte.
    Als er fertig war, faltete Pascal das Papier zusammen und sah sich um. »Gott steh uns bei«, seufzte er. »Das ist ein verfluchtes Verbrechen, an dem ich mich da beteilige. Aber es wird erledigt, Mädchen, und zwar ordentlich. Euer Meister kann sich auf uns verlassen.«
    »Er ist fest entschlossen, morgen zu uns zu stoßen, Meister Huette, und wir werden Seite an Seite mit Euch arbeiten.«
    Pascal senkte den Blick und biss sich auf die Lippe, wie es auch sein Sohn tat, dann sah er sie wieder an. »Lorcan steht nicht ehrlich hinter dieser Farce, oder, Mädchen? Er kann doch unmöglich

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