Moorehawke 02 - Geisterpfade
gewusst, welch schreckliche Angst sie davor hatte, weiterzuziehen. Ganz langsam legte sie den Kopf in Christophers Nacken
und drückte die Arme fest um seine steifen Schultern, beschämt, bang und zutiefst betroffen.
Zuerst blieb Christopher ganz starr, als wehrte er sich verzweifelt gegen Wynters Umarmung. Doch dann löste er sich und bettete ihren Kopf sachte an seine Schulter. Wynter spürte seine Finger auf ihrem Hinterkopf und begann, sich ganz sanft hin und her zu wiegen, und Christopher ließ seine andere Hand bis in die Beuge ihres Ellbogens gleiten. Beide schlossen die Augen.
Der Sonnenschein wärmte sie, die friedlichen Geräusche des Flusses verscheuchten alle Gedanken. Allmählich beruhigte sich ihr Atem, ihre Herzen schlugen bedächtiger, und sie kuschelten sich aneinander, jeder getröstet von den Armen des anderen und von ihrem unschuldigen, behutsamen Schaukeln.
Frith
W ährend des schweigsamen Rückwegs über den schmalen, steilen Pfad stießen sie immer wieder gegeneinander, wenn sie vor Müdigkeit stolperten. Wynters Rücken schmerzte, und Christopher, der die Kupferschüssel und die Tücher trug, humpelte. Selbst im Laufen fielen ihm ständig die Augen zu.
Oben angekommen, stapften sie halbblind über die Wiese auf die Zelte zu. Plötzlich stellten sich ihnen zwei der riesigen Kriegshunde in den Weg und hechelten ihnen geifernd und grinsend in die erschrockenen Gesichter.
» Gread leat «, blaffte Christopher, jäh aufgescheucht, und zog Wynter zurück. »Lasst sie in Ruhe !« Gereizt schubste er die Tiere fort. Doch sie beachteten ihn überhaupt nicht und steckten fröhlich die Schnauzen in die Essensschalen. Dabei knuffte einer von ihnen Wynter mit dem Kopf in den Magen, so dass sie rückwärts taumelte und das Tablett ins Wanken geriet. Jetzt verlor Christopher die Beherrschung.
» Croch leat «, schimpfte er und schlug dem Hund mit der Faust auf den massigen Kopf. » Croch leat, a bhoid clamhach .«
Die Hunde knurrten, und zu Wynters Schreck schlug Christopher mit der Kupferschüssel nach ihnen. Jeder Narr hätte die wachsende Feindseligkeit der Tiere gespürt, doch Christopher schien jeglicher gesunde Menschenverstand abhandengekommen
zu sein – erneut holte er brüllend mit der Schüssel aus.
»Christopher«, warnte Wynter mit einem Seitenblick auf die gefletschten Gebisse und das gesträubte Fell. »Hör auf.«
Grob schob Christopher sie hinter sich. »Úlfnaor!«, rief er wütend ins Lager. »Haltet Eure verdammten Hunde im Zaum!« Erst da bemerkte Wynter den großen Mann, der auf sie zukam, das schwarze Haar im Wind wehend, die Armreife blitzend. »Haltet Eure Hunde im Zaum, Aoire«, verlangte Christopher auf Hadrisch. »Sie stellen meine Geduld auf die Probe.«
Úlfnaor schien Christophers Ton nicht übel zu nehmen, seine Miene und Haltung verrieten, dass er andere Sorgen hatte. Er pfiff kurz, und sofort ließen die Hunde von Christopher und Wynter ab, galoppierten hingebungsvoll mit fliegenden Pfoten auf ihren Herrn zu und stellten sich bei Fuß.
»Coinín«, sagte Úlfnaor, »ich habe Euch gesucht.« Er grüßte Wynter höflich mit einem Nicken, und sie neigte ebenfalls den Kopf, vorsichtig nach den Hunden schielend. » Suigí síos «, befahl Úlfnaor, und sofort setzten sie sich gehorsam hin. Úlfnaor kraulte sie an den Ohren, seine vielen Ringe glitzerten in der Sonne. Wynter fand, dass er eine Schwermut an sich hatte, als würde er von einem unsichtbaren Gewicht niedergedrückt.
Nun wandte er sich mit einem Seufzen wieder an Christopher, eine Frage auf den Lippen, die er aber doch nicht stellte, weil er plötzlich seinen jämmerlichen Zustand bemerkte. Rasch musterte er Wynter, die sich in ebenso kläglicher Verfassung befand.
» Frith an Domhain «, sagte er. »Ihr seid beide völlig entkräftet. Warum habt Ihr nicht ausgeruht Euch?«
Leicht schwankend drückte sich Christopher die Schüssel
und die Tücher an die nackte Brust und sah den Aoire streitlustig mit roten Augen an.
»Habt Dank für Eure Fürsorge, Herr«, entgegnete Wynter. »Wir wollten uns gerade ein wenig in den Schatten legen.«
»Gut«, versetzte Úlfnaor. Er beäugte beide mit Besorgnis. »Gut. Coinín«, fuhr er dann fort, »die Caoirigh möchten einzuladen Euch und Eure Familie. Wir speisen in Ashkrs Zelt und …«
»Nein«, fiel Christopher ihm ins Wort. »Wir können nicht bleiben.«
Úlfnaor verengte die dunklen Augen und verzog missbilligend den Mund. Erschrocken wollte sich Wynter für
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