Moorehawke 02 - Geisterpfade
stammelte Razi.
»Es ist gut«, sagte Ashkr da. »Ich möchte, dass Ihr ihm nicht sagt die Wahrheit. Sól, er hat getrunken und gegessen ein wenig, und nun er schläft. Das ist gut. Ich möchte, dass
er so weitermacht. Ihr dürft ihm nicht sagen, dass Ihr fortgeht.«
Christopher legte sich die Hand auf die Augen und ließ sich wieder aufs Bett fallen. »Ihr seid grausam.« Er schüttelte den Kopf. »Ihr seid einfach nur verflucht grausam.«
»Heute«, Ashkr legte Christopher einen Finger auf die Brust, »heute wird Sól Euch um vieles bitten. Er wird Euch alles sagen, was Ihr tun sollt, wenn …« Er schielte kurz zu Wynter und Razi. »Wenn Ihr …«
»Ich weiß, was Ihr meint «, fuhr Christopher dazwischen.
»Ihr willigt ein, Coinín.« Er tippte ihm kräftig auf den Brustkorb. Nun erst nahm Christopher die Hand vom Gesicht und funkelte Ashkr wütend an. Der aber saß ihm mit Tränen in den Augen gegenüber, und sofort wurde Christophers Miene weicher. »Ihr willigt ein in alles, was Sól bittet. Ja? Ihr macht ihn glauben, alles ist gut? Und wenn es nur heute ist? Bitte, Coinín, ich flehe Euch an. Macht ihm dieses Geschenk, nur für heute.«
Wynter konnte nicht anders, sie war gerührt. Worüber die beiden Sólmundr täuschen wollten, wusste sie nicht, doch sie stellte fest, dass sie wünschte, Christopher würde sich dazu bereit erklären. Wortlos nickte Christopher knapp, und Ashkr atmete tief auf und drückte sich erleichtert die Hand an die Stirn. »Gut«, sagte er leise. »Gut.« Urplötzlich wirkte er vollkommen erschöpft, all seine zähe Kraft war verschwunden, und er sackte in sich zusammen.
»Ashkr«, erbot sich Razi, »darf ich Euch zurück zu Eurem Zelt bringen?«
Ashkr lehnte ab. »Hally, sie stützt mich.«
Kurz fiel helles Licht herein, als Razi die Klappe am Eingang zurückschlug, und Hallvor kam sofort angelaufen und eilte an Ashkrs Seite.
Bevor er sich aufhelfen ließ, legte der Merroner noch einmal eine Hand auf Christophers Brust. Christophers Hände flatterten, sein Mund verzog sich zum Widerspruch, doch er schwieg. Schwer atmend, die Augen nur mehr Schlitze im bleichen Gesicht, sagte Ashkr: »Danke, lucha .« Dann drückte er die Hand fest auf Christophers Brust, und für einen kurzen Moment wurde seine Stimme kräftig, gebieterisch. » Schlaf «, sagte er.
Zu Wynters großem Erstaunen erschlaffte Christopher auf der Stelle, seine Augen fielen zu, die Hände lockerten sich, und er versank in einen tiefen und endlich auch ungestörten Schlaf. »Gut«, murmelte Ashkr erneut und zeichnete mit dem Finger Christophers Gesichtszüge nach. »Gut.«
Hallvor und Razi halfen Ashkr beim Aufstehen. Am Zelteingang drehte er sich noch einmal um, sein Gesicht lag im Dunkeln, das lange Haar schwang um ihn herum wie Sommergold. Hallvor, die ihn stützte, war nur eine schmale schwarze Gestalt an seiner Seite. Ihre Mienen waren nicht zu erkennen.
»Wir sehen uns beim Essen«, flüsterte Ashkr. »Vergesst nicht …«
Dann führte Hallvor ihn fort, und Razi schloss grimmig die Zeltklappe.
Versprechungen
H ab ich was verpasst?«
Beim sanften Klang von Christophers Stimme warf Wynter das Zaumzeug zur Seite, das sie gerade einfettete, lief rasch zum Zelteingang und spähte hinein. Es dauerte ein Weilchen, bis sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, dann aber erkannte sie das zaghafte Lächeln auf Christophers Gesicht.
»Wie geht’s?«, fragte er.
Zutiefst erleichtert senkte Wynter den Kopf. Christopher hatte die Decke zurückgeschlagen und saß auf der Bettkante, die Arme auf die Knie gestützt. Obwohl seine Augen immer noch müde und schwer und sein Gesicht etwas abgekämpft wirkten, sah er hundertmal jünger aus als vorher.
»Du hast gar nichts verpasst«, gab sie fröhlich zurück. »Außer, dass die Merroner schamlos Fische aus dem Fluss des Königs wildern und unerlaubt stapelweise Holz aus dem Wald schleppen.«
Christophers Augen blitzten. »Diese verwünschten Merroner.«
»Unverbesserlich zwielichtige Gestalten«, pflichtete sie ihm bei. Sie freute sich über seine Heiterkeit, offenbar hatten die zwei Stunden Schlaf ihn sehr erfrischt.
»Wo ist dieser störrische dunkelhäutige Tropf, den wir am Hals haben?«
»Ich bin hier«, grummelte Razi. »Wenn sich meine Schwester nicht so breitmachen würde, könnte ich hereinkommen und deine geschätzte Gesellschaft genießen.« Damit stupste er Wynter mit dem Fuß an, und sie kroch grinsend vor ihm ins Zelt.
»Du siehst viel
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