Moorehawke 02 - Geisterpfade
Freund?«, fragte er und setzte den abgetrennten Kopf auf dem Boden ab. Er war von den Hunden heftig zerbissen und zugerichtet worden, doch die Züge waren noch erkennbar. Ashkr drehte sie dem nun verstummten Wolf zu, strich sanft das klebrige Haar aus der leblosen Stirn und klemmte es ordentlich hinter die blutigen Ohren. »Seht Ihr Euren Freund?«, wiederholte er und tippte auf die tote Wange. »Er hat Glück gehabt.«
Der Wolf starrte die schlaffen Lippen, das wächserne Gesicht
seines toten Gefährten an, dann zog er den Kopf zurück und spie Ashkr blutigen Speichel ins Gesicht. Wynter schrak zusammen, ihr Schwert zuckte nach oben, doch Ashkr seufzte nur und wischte sich das Gesicht mit dem Hemdsaum ab.
»Das war sehr dumm.« Seine Stimme klang noch genauso weich wie vorher. »Ich bin der Einzige, der Euch vielleicht getötet hätte, bevor Ihr so leidet, dass es Euch gleichgültig ist.« Er breitete die Hände aus. »Nun gut«, sagte er und stand lächelnd auf. »Nun gut.«
Der Wolf ließ sich wieder auf den Rücken fallen, die Knie an den Bauch gezogen. Er sah sich im Kreis der Gesichter um, die grimmig auf ihn herabblickten, und Wynter bemerkte, dass sich Christopher hinter die Merroner zurückzog. Seine Lider flatterten, das Gesicht hielt er ängstlich abgewandt. Doch der Schmerz überwältigte den Wolf, ehe er Christopher finden konnte; keuchend wälzte er sich auf die Seite und entdeckte stattdessen Razi.
Sie kannten einander gut; Wynter sah es an dem Schrecken, der die Miene des Wolfs erstarren ließ, und in der eisigen Befriedigung, die aus Razis Lächeln sprach.
» Sabah alkhair , Reinier«, wünschte Razi dem Mann seelenruhig auf Arabisch einen guten Morgen.
Den Wolf durchlief ein Ruck, als wollte er aufspringen. Fassungslos starrte er Razi an, dann wölbten sich die Lippen höhnisch nach oben, sein Blick verhärtete sich. Razi grinste ihn an; die Merroner runzelten die Stirn. Ganz unversehens betrachteten sie Razi mit anderen Augen und musterten argwöhnisch die gefährliche Klinge, die in seiner Faust blitzte. Als sich die Aufmerksamkeit der umstehenden Krieger kaum merklich verlagerte, umschloss Wynter ihre eigene Waffe etwas fester.
Der Wolf murmelte etwas auf Arabisch, dann entfuhr ihm ein gurgelndes Lachen, das seine Lippen rot färbte. »Ihr seid es wirklich «, ächzte er auf Hadrisch.
Razi verneigte sich und breitete spöttisch die Hände aus.
»David wusste es«, zischte der Wolf. »Er wusste es! Gérard sagte, Ihr wäret tot, aber David wusste es, sobald die anderen diese Armreife mit ins Lager brachten …« Unter Schmerzen drehte er sich und suchte die Menge ab. »Er wusste, dass es Euer kleiner Mischlingsköter war. Und wo der Köter ist, da ist auch der Herr niemals … ha!« Endlich hatte er Christopher entdeckt. Razi trat vor, sein Schwert zuckte.
Wieder lachte der Wolf und verdrehte den Kopf, um Christopher besser sehen zu können. Der schielte nur flüchtig zu ihm herüber, sah dann Wynter an und senkte den Blick. Seine Miene verriet nichts, sein Körper war vollkommen regungslos.
Der Verletzte krümmte sich im Staub und grinste erneut zu Razi hoch. »David sucht nach Euch, al- Sayyid .« Er zog Razis Titel absichtlich in die Länge, um es verächtlich klingen zu lassen. »Bald wird er Euch finden. Es gibt keine Hoffnung für Euch.«
Unbeeindruckt steckte Razi sein Schwert in die Scheide zurück und ging in die Hocke, den Ellbogen auf das Knie gestützt. »Auf Euch wartet der Blutadler, Reinier«, sagte er. Die Augen des Wolfs weiteten sich, und Razi wiederholte das Wort noch einmal ganz langsam. »Der Blutadler . Ihr werdet schreiend sterben. Ich werde den Klang genießen.«
Es folgte ein langer Moment der Stille, während Razi und der Wolf einander in die Augen blickten, zwischen sich den abgetrennten Kopf. Schließlich rollte sich der Verletzte auf die Seite, um Razi direkt ins Gesicht sehen zu können. Nur ein leises Wimmern kam ihm über die Lippen, obwohl der
Schmerz entsetzlich sein musste. Flüchtig musterte er nacheinander Ashkr, Úlfnaor, Embla und Sólmundr.
»Wir sprechen alle Hadrisch, nicht wahr?«, fragte er und lächelte. »Ja, ich kann es in Euren Augen lesen. Ihr vier, Ihr versteht mich.« Dann schob er sich auf die Ellbogen, die Fäuste im Staub geballt. »Also gut, al-Sayyid«, sagte er wieder an Razi gewandt. »Ich werde schreiend sterben, wenn das Euer Wunsch ist.« Er entblößte blutige Zähne. »Ich werde sehr laut schreien, soll ich? Soll ich
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