Moorehawke 02 - Geisterpfade
diesen Schafen erzählen, was für ein tollwütiger kleiner Köter Euer Mischling ist? Was für eine gefährliche Bestie Ihr in ihre Mitte gebracht habt?«
Razi wurde bleich und zuckte leicht zurück. Der Loup-Garou lachte.
»Ihr hättet ihn sehen sollen, als sie ihm seinen Schmuck wegnahmen. Ihr hättet seine Verwandlung sehen sollen! Wisst Ihr, wie wir jemanden wie ihn nennen?«, röchelte er. » Feigwolf … Schwachwolf … erbärmliche, kriecherische Narren, die versuchen, ihre Natur zu verleugnen und mit den Schafen zu blöken.« Er spuckte aus.
Ungläubig starrte Wynter ihn an. »Meint Ihr etwa Christopher?«, flüsterte sie.
Neugierig wandte sich der Wolf ihr zu, und Christopher drehte leise stöhnend den Kopf zur Seite. Das blutverschmierte Gesicht des Loup-Garous erhellte sich verstehend. »Ihr solltet Euch lieber vorsehen, kleine Dirne«, krächzte er. »Seht Euch vor. Seinesgleichen kann sich nicht ewig im Zaum halten, und dann …«
Mit einem Ruck bäumte er sich auf, die Fänge stießen aus dem Mund, die Augen färbten sich gelb, und alle schreckten vor dieser unmenschlichen Fratze zurück. Er jedoch lachte über ihre Furcht und ließ sich zurücksinken, plötzlich wieder
nur ein Mann, der mit den Händen im Staub wühlte. Doch jetzt zogen sich Krallenspuren durch die Erde, tief und lang, ein bleibendes Zeugnis des Moments, als sich seine blutroten Finger in den steinharten Boden gegraben hatten. Er grinste Wynter an. »Das hat er Euch wohl nicht erzählt?«, fragte er. »Ihr törichtes Weib. Hat er Euch nicht gesagt, dass Ihr mit einem Wolf das Bett teilt?«
Razi sprang auf die Füße. »Haltet den Mund«, herrschte er ihn an. »Haltet Euer dreckiges Maul.«
Doch der Wolf lachte nur wieder; es beeindruckte ihn nicht, dass Razi drohend über ihm aufragte. »Ach«, keuchte er. »Ihr leichtsinniger Tropf. Er wird sich verwandeln! Das tun sie alle. Seinesgleichen kann nicht anders. Die beißen immer die Hand, die sie füttert.« Und mit einem anzüglichen Blick auf Wynter: »Oder fressen die Dirne, die …«
Brüllend hob Razi den Fuß und stampfte mit der Ferse auf die Schläfe des Wolfs.
Der Schädel veränderte auf ekelerregende Weise seine Form, und Wynter schlug sich die Hand vor den Mund. Erneut hob Razi den Fuß, und Wynter musste sich abwenden, es war endgültig zu viel; ihr Magen rebellierte. Sie hörte noch das durchdringende, dumpfe Knacken von Razis Ferse auf dem Wolfskopf, dann hüpfte der Kreis der Merroner hastig zurück, als Wynter heiße Galle auf den Boden erbrach. Sobald sie einmal angefangen hatte, schien sie nicht mehr aufhören zu können, sie würgte und krümmte sich eine kleine Ewigkeit lang, während um sie herum die Dinge weiter ihren Lauf nahmen.
Ihr erster klarer Gedanke danach war Christopher. Sie richtete sich auf, wischte sich den Mund ab und drehte sich besorgt zu der Stelle um, an der er zuletzt gestanden hatte. Er war fort, das Katar lag im Staub, und Wynter betrachtete
die achtlos weggeworfene Waffe. Kalte Schauer liefen ihr über den Rücken. Dann erst bemerkte sie, dass um sie herum Totenstille herrschte, die Merroner beobachteten geschlossen etwas, das sich in Wynters Rücken zutrug. Beim Klang des feinen metallischen Schabens eines Schwerts, das aus der Scheide gezogen wurde, erstarrte sie, dann drehte sie sich langsam um und folgte dem Blick der Umstehenden.
Razi hatte seinen Malchus wieder in der Hand und stand Úlfnaor mit undurchdringlicher Miene gegenüber, die Arme an den Seiten herabhängend. Die Merroneredlen standen in einer blassen Reihe nebeneinander, die Schwerter gezogen, die Gesichter misstrauisch; hinter ihnen und um Wynter herum ihr wachsames Volk, ebenfalls in gespannter Erwartung und mit gezückten Waffen. Unwillkürlich umschloss auch Wynter ihren Schwertgriff fester und ließ den Blick über die Menge schweifen.
Razi aber zog seinen Dolch aus dem Futteral am Oberschenkel und drehte bedächtig, ohne die Augen von Úlfnaor zu lösen, Messer und Schwert so, dass die Klingen jeweils auf seinen Unterarmen zu liegen kamen. Dann streckte er sie vor und bot die Waffen mit den Griffen voran dar. Er reckte das Kinn und sagte mit tiefer, klarer Stimme: »Ich bin al-Sayyid Razi ibn-Jon Malik al-fadl.«
Gebannt sah Wynter Úlfnaor an, doch Razis Name und Titel schienen ihm nichts zu sagen, und nach einer kleinen Pause fuhr Razi fort.
»Ich bin ein Bote des Guten Königs Jonathon. Seine Majestät hat mich ausgesandt, um den Prinzen Alberon zu
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