Moorehawke 02 - Geisterpfade
Schwesterchen? Sollen wir uns ein Zimmer nehmen?«
Razi schielte zu Embla. Die hohe Dame beobachtete ihn unter schweren Lidern hervor, das Kinn auf die Hand gestützt, das blonde Haar um ihre erhitzten Wangen spielend. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ sogar Wynters Herz höherschlagen.
Na so was! , dachte sie.
Mit Gewalt riss sich Razi von Emblas Anblick los und biss sich auf die Lippe. Sollten sie tatsächlich beschließen,
sich ein Zimmer zu nehmen, zweifelte Wynter stark daran, dass Razi es jemals von innen sähe. Sie begegnete Christophers Blick; mit unbewegter Miene, die Arme verschränkt, die Füße lang ausgestreckt, saß er auf seinem Stuhl und erholte sich vom ausgelassenen Tanzen. Sein Hemd war verschwitzt, das schmale Gesicht glänzte vor Hitze, die Haare waren völlig zerzaust. Wynter betrachtete ihn – ihren schwarzhaarigen Hadraer – und dachte mit uneingeschränkter Klarheit: Ich liebe dich .
Wie auch immer sich diese Empfindung auf ihrem Gesicht abzeichnete, Christopher schien erfreut und legte mit fragenden grauen Augen den Kopf schief. Razi folgte Wynters Blick und musterte seinen Freund prüfend.
Da beugte sich Wynter zu ihm vor und flüsterte ihm ins Ohr: »Würdest du Christopher und mich ein Bett teilen lassen, Razi?«
Seine großen braunen Augen weiteten sich, und er starrte Wynter plötzlich erschrocken und verunsichert an. So verstört wirkte er, dass Wynter ihm die Hand in den Nacken legte und ihre Stirn an seine drückte, ihre alte Geste der Innigkeit.
»Liebst du ihn nicht, Razi?«, wisperte sie.
Er schluckte. »Doch. Sogar sehr.«
»Glaubst du dann nicht, dass er gut zu mir sein wird?«
Er sah ihr in die Augen. »O doch, Wyn. Ich bin davon überzeugt, dass es keinen besseren Mann für dich geben kann.«
Wynter zog die Augenbrauen hoch. Na dann? , sagte ihr Blick. Warum die Unschlüssigkeit? »Wir haben uns gegenseitig unser Versprechen gegeben, Razi. Ich bin mir sicher, dass ich ihn liebe, und ich glaube ihm, dass er ehrlich meint, was er zu mir gesagt hat.«
Razi schien gründlich nachzudenken. Dann schüttelte er sich kurz und nickte. Er nahm Wynters Gesicht zwischen die Hände und küsste sie auf die Stirn. »Macht einander glücklich, Wyn«, flüsterte er eindringlich. »Es gibt ohnehin so wenig Freude in unserer Welt.« Dann sprang er auf und klatschte in die Hände. »Wir bleiben!«, rief er und warf der lächelnden Embla die Arme entgegen. »Edle Dame! Tanzt mit mir!«
Ohne zu zögern, schlüpfte Embla hinter dem Tisch hervor, und die beiden wirbelten fort in die Menge.
Christophers Blick verdunkelte sich kurz, als Razi Embla in die Luft hob. »Was sollte das ganze Geflüster?«, wollte er wissen.
»Wir bleiben über Nacht«, erklärte Wynter.
Doch statt sich zu freuen, verzog er das Gesicht und blickte sich zu Úlfnaor um, der leise mit Ashkr über Razis Muskete sprach. »Hm«, grummelte er. »Na ja, ist ja nur eine Nacht.« Er atmete durch und schob beiseite, was auch immer ihn beunruhigte. »Wynter.« Er beugte sich zu ihr und nahm ihre Hand. »Sie wollen, dass ich zum Schluss noch einmal mit ihnen aufspiele. Macht es dir etwas aus?« Verstohlen machten sich seine Grübchen bemerkbar. »Ich bin nicht lange fort, versprochen.«
Wynter strich ihm das wirre Haar aus der Stirn. »Ich warte hier«, sagte sie sanft. »Ich hole beim Wirt nur noch etwas zu trinken.« Vertraulich raunte sie ihm zu: »Ich glaube, deine zwielichtigen Merroner haben ihn verscheucht.« Mit fröhlich funkelnden Augen sahen sie einander an, dann küsste Wynter ihn rasch auf den Mund und schob ihn von sich weg. »Geh schon!«, sagte sie. »Geh und spiel mit deiner Trommel!«
Er mischte sich unter die Menge, und Wynter sammelte
die leeren Krüge zusammen und schob sich zur Küchentür. Noch einmal sah sie sich um – gerade stieg Christopher auf das Podest. Er griff sich die Trommel, blickte kurz über die Schulter und grinste sie an. Dann klemmte er sich das Haar hinter die Ohren, die Küchentür schwang hinter Wynter zu, und er war nicht mehr zu sehen.
Feuer
H allo?« Wynter trat in die duftende Dämmerung der Küche. Es war merkwürdig still. Der große Tisch in der Mitte stand voller Krüge und Becher, manche sauber, manche nicht, und auf den Borden neben der Spülwanne stapelte sich tropfendes Geschirr. Vom Wirt, seinen Töchtern und dem Koch fehlte jede Spur.
Eine dunkelgraue Katze schnürte durch die Schatten neben dem erlöschenden Herdfeuer, und Wynter sprach sie an, als sie
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