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Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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etwa vierzig Jahren. Gelassen und unbeteiligt beobachtete sie die beiden Männer, ihre Hand lag auf Sólmundrs zitterndem Rücken.
    Das muss Hallvor sein , dachte Wynter mit einem verstohlenen
Seitenblick auf die kupferne Feuerschale, Kräutersäckchen und Phiolen neben der Frau. Die Heilerin .
    Bei ihrem Eintreten sah Úlfnaor sie verärgert an und wandte sich dann ab, stapfte zur rückseitigen Zeltwand und stellte sich mit vor der Brust verschränkten Armen ins Halbdunkel. Hallvor musterte die Ankömmlinge ohne erkennbare Empfindung von Kopf bis Fuß.
    Razi blieb am Eingang stehen und betrachtete Sólmundr mit undurchdringlicher Miene, während sich Christopher und Wynter an den Rand drückten und dort warteten. Wynter konnte kaum fassen, dass es derselbe Mann war wie im Gasthaus – sein gutmütiges Gesicht war vor Qual völlig verwandelt, und er hatte sich zu einer festen Kugel zusammengerollt, die Faust in den Bauch gepresst. Er keuchte und konnte offenbar die leisen Schmerzenslaute nicht unterdrücken, die ihm bei jedem Atemzug über die Lippen schlüpften.
    Ashkr winkte Razi zu sich heran. »Kommt!«, sagte er. »Hierher, Tabiyb, kommt. Seht Euch an Sól.«
    Auch Embla duckte sich nun ins Zelt und kniete neben Hallvor. Sie murmelte eine Frage, und die dunkelhaarige Frau schüttelte ohne Hoffnung den Kopf.
    »Tabiyb!«, rief Ashkr. »Kommt hierher!« Er donnerte die Faust neben Sólmundrs Lager auf den Fußboden, und sein Freund machte vor Schreck einen Satz. Sofort drehte sich Ashkr zu ihm um. » Gabh mo leithscéal, a chroí! Sch-sch-sch.« Zärtlich legte er eine Hand auf Sólmundrs Kopf, dann zischte er über die Schulter: » Frith an Domhain , Tabiyb, kommt her! Macht Sól gesund, sonst schlage ich Euch den Kopf ab!«
    Bei diesen Worten machte Christopher einen Schritt nach vorn, und Wynter sah im gleichen Moment seine Hand auf das Katar sinken, wie ihre eigene nach dem Dolch tastete. Auch sie löste sich nun mit eisiger Miene aus dem Schatten
der Zeltwand. Ashkr hätte ihnen ihre Waffen nicht zurückgeben sollen, wenn er vorhatte, sie zu bedrohen.
    Hastig hob Ashkr beschwichtigend eine Hand. »Ich spreche aus Furcht«, sagte er heiser. »Die Furcht macht mich dumm. Ich werde nichts zuleide tun Eurem Freund.« Er bemühte sich, seine Besorgnis herunterzuschlucken, und klopfte auf die Felle. »Tabiyb«, sagte er, »Ihr kommt zu helfen, ja? Kommt zu helfen, Ihr seid ein guter Mensch.«
    Ohne die beiden anzusehen, schob Razi Wynter und Christopher etwas zurück, warf einen kurzen Blick auf Hallvor und kniete sich dann neben den Kranken. »Sólmundr«, sprach er ihn an.
    Keuchend schlug Sólmundr die Augen auf.
    »Embla sagt mir, dass Ihr meine Hilfe nicht wünscht.«
    Nun blickte Sólmundr zu Ashkr auf. » Tá m’uain tagtha, a Ash. Tá an Domhan do m’iarraidh … tá … aaah …« Erneut krümmte er sich vor Schmerz.
    Razi sah sich zu Christopher um. »Was hat er gesagt? Christopher, komm her; übersetz mir, was dieser Mann sagt.«
    Humpelnd lief Christopher zu ihm und ging am Fußende des Krankenlagers steif auf die Knie. »Er sagt, seine Zeit sei gekommen. An Domhan , ›Die Welt‹, unsere … das, was bei meinem Volk Gott entspricht, rufe ihn.« Christopher seufzte und strich sich mit einer bebenden Hand über das bleiche Gesicht. »Er möchte sterben, Razi. Daran kannst du nichts ändern; es ist Sólmundrs Recht, diesen Weg zu wählen.«
    Sowohl Razi als auch Wynter gafften Christopher mit offenem Mund an, doch er zuckte nur die Achseln. »Sie glauben daran, dass er selbst wählen darf«, erklärte er leise.
    Jetzt flüsterte Sólmundr etwas auf Merronisch und zog Ashkrs geballte Faust an seine Brust, und zum ersten Mal bemerkte Wynter das Sklavenmal, das in seinen Oberarm
eingebrannt war. »Ich brauche nicht Eure Hilfe, Tabiyb«, ächzte er. »Ich bin bereit. Es ist gut, dass An Domhan mich ruft. Jetzt … gerade jetzt.«
    Ashkr beugte sich über seinen Freund und strich ihm liebevoll über das schweißgetränkte Haar. Beschwörend redete er auf ihn ein, sah ihm eindringlich in die Augen. Als Sólmundr ihn nur wortlos, mit vor Qual zitterndem Körper anblickte, lehnte Ashkr seine Stirn gegen die Schläfe seines Freundes und flüsterte etwas, das flehentlich und untröstlich klang.
    Wynter bemerkte die fest ineinander verschlungenen Hände der beiden Männer, spürte die abgründige Tiefe von Ashkrs Verzweiflung. Dann betrachtete sie die zueinander passenden Armbänder aus geflochtenem Silber und

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